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Material Flow Cost Accounting – vom Hörsaal in die Praxis

Vortrag von Pia Lemberger und Patrick Lenard: Material Flow Cost Accounting – vom Hörsaal in die Praxis

Pia Lemberger und Patrick Lenard studieren seit vergangenem Oktober im Masterstudiengang Life Cycle and Sustainability an der Hochschule Pforzheim. Davor haben Beide erfolgreich den Bachelorstudiengang Ressourceneffizienz-Management abgeschlossen.

 

In ihrem Vortrag am 19. 4. 2018 an der Hochschule Pforzheim ging es ihnen darum, den Zuhörern die Methode der Materialflusskostenrechnung (Material Flow Cost Accounting - MFCA) und deren Umsetzung im Unternehmen näher zu bringen. Die Methode lernten beide im Rahmen des Bachelorstudiums kennen. Frau Lemberger und Herr Lenard wandten sie in ihren Abschlussarbeiten in zwei kleineren Unternehmen an.

 

Die Materialflusskostenrechnung

 

Die MFCA ist seit 2011 als ISO 14051 international standardisiert. Ziel der Methode ist es, die durch Materialverluste entgangene Wertschöpfung zu visualisieren und zu quantifizieren. Bei Materialverlusten kann es sich um Abfall, Verschnitt, Anfahrverluste aber auch Schlechtteile handeln. Für einzelne Prozessschritte, auch Mengenstellen genannt, werden Input-/Outputbilanzen erstellt. Dabei wird erfasst wieviel Material und Energie in die jeweiligen Mengenstellen eingeht und wieviel (Zwischen-)Produkte, Abfälle, Emissionen, Schlechtteile etc. die Mengenstellen verlassen. So wird physisch erfasst wie viel vom Eingangsmaterial tatsächlich im Produkt und wie viel in Verlusten landet.

Basierend auf diesem physischen Mengengerüst können den einzelnen Eingangsmaterialien Einkaufspreise zugeordnet werden. Optional können auch Systemkosten (Lohn, Miete, Maschinenkosten) und Abfallmanagementkosten berücksichtigt werden. Zur Verteilung der Kosten wird das Massenverhältnis von Produkt zu Verlust herangezogen. Dadurch werden die anfallenden Materialverluste i. d. R. erstmals monetär bewertet, denn in der klassischen Kostenrechnung werden alle Kosten vom Produkt getragen. Die Methode zeigt damit auf, welche Kosten eingespart werden könnten, wenn die Materialverluste reduziert oder sogar gänzlich vermieden würden. Etwaige technische Lösungen hierfür zeigt die Methode jedoch nicht auf.

Die Fallstudien: Friedrich Feldmann GmbH & Co. KG und Junker-Filter GmbH

Pia Lemberger führte ihre Fallstudie bei der Friedrich Feldmann GmbH & Co. KG in Karlsruhe durch. Das Unternehmen produziert Essig für seine Eigenmarke sowie Handelsmarken. Insbesondere bei den Handelsmarken wird das Unternehmen mit einem hohen Kostendruck konfrontiert. Das Unternehmen ist ein typisches KMU. Dinge, die in Großunternehmen selbstverständlich sind, wie eine Umweltmanagementabteilung, umfangreiche IT-Struktur oder eine präzise Kostenrechnung sind hier nicht bzw. nur teilweise vorhanden. Frau Lemberger führte eine MFCA für die Herstellung von Branntweinessig durch und erfasste in Rahmen dessen erstmals strukturiert die im Prozess anfallenden Inputs und Outputs. Ebenso wurde durch die Analyse die Zuteilung von Kosten zu  Kostenstellen möglich. Die MFCA zeigte, dass nur ca. 2 % der Kosten im Prozess auf Materialverluste entfallen. Diese 2 % konzentrierten sich jedoch auf einen Prozess – die Gärung. Dort verdampft Alkohol und geht verloren. Durch die Installation von Kondensatoren auf dem Dach des Gärtanks wird der verdampfte Alkohol nun in den Prozess zurückgeführt.

Die MFCA von Patrick Lenard wurde bei der Junker-Filter GmbH in Sinsheim durchgeführt. Das Unternehmen produziert Filter für unterschiedliche Anwendungsgebiete. Die Fertigung zeichnet sich hierbei durch viele Varianten und unterschiedliche Stückzahlen aus. Herr Lenard konnte im Rahmen seiner Analyse einen Prozess identifizieren, der den Großteil der Materialverluste verursacht. Im Unternehmen war man der Meinung, dass dieser Verlust prozessbedingt nicht vermieden werden kann und die anfallenden Reste an einer anderen Stelle in Produkte eingearbeitet werden. Es stellte sich aber heraus, dass die Reststoffe nicht weiterverarbeitet wurden. Weshalb nun an einem effizienteren Management dieser Reststoffe gearbeitet wird.

Beide Unternehmen konnten sich mit den durchgeführten Analysen erfolgreich beim Projekt „100 Betriebe für Ressourceneffizienz“  bewerben.

Begleitende Forschungsfragen – Organisatorische Gestaltung der MFCA und Leitfaden zur Datenerhebung

Neben ihren Fallstudien beschäftigten sich die Beiden in ihren Abschlussarbeiten mit begleitenden Forschungsfragen. So widmete sich Frau Lemberger der Frage wie die organisatorische Gestaltung der MFCA im Unternehmen aussehen könnte. Sie analysierte dabei anhand des PDCA-Zyklus, den auch die MFCA nutzt, welche Funktionsbereiche in den einzelnen Phasen involviert sind, welche Methoden zu welchem Zeitpunkt angewandt werden, den Zeitaufwand der einzelnen Phasen und die genutzten Informationssysteme.

Da in der ISO-Norm zur Materialflusskostenrechnung nicht definiert ist, wie die Daten für die Analyse erhoben werden sollen, erstellte Herr Lenard im Rahmen seiner Arbeit einen Leitfaden für die Datenerhebung. Dabei wurde deutlich, dass Wiegen und Messen, die genausten Ergebnisse liefern, aber auch mit einem hohen Zeitaufwand verbunden sind. Schätzungen hingegen benötigen weniger Zeit, sind aber weniger genau. Dennoch kann durch Schätzungen ein grobes Abbild der Prozesse erstellt und Hotspots lokalisiert werden, die einer genaueren Untersuchung und Datenerhebung bedürfen.

 

Empfehlungen für Unternehmen

Basierend auf ihren Erfahrungen aus den Fallstudien haben die Beiden einige Punkte identifiziert, die für eine erfolgreiche Umsetzung der MFCA im Unternehmen wichtig sind. So wird ein Team benötigt, das aus Personen der unterschiedlichen Unternehmensbereiche besteht. Der Leiter der Analyse sollte allen Beteiligten von Anfang klar kommunizieren welche Informationen er von ihnen benötigt. Ebenso zeigt die Praxis, dass immer wieder hinterfragt werden muss, ob Informationen nicht doch bereits vorhanden sind. Als entscheidend hat sich die Einbeziehung der Mitarbeiter erwiesen, denn häufig rufen solche Analysen bei ihnen die Angst vor Rationalisierungen hervor. Schlussendlich empfehlen sich ein Vorgehen in kleinen Schritten und die Definition von klaren Zielen.

Die beiden Vortagenden sehen MFCA als vielseitige Methode, die Unternehmen viele Möglichkeiten bietet, die häufig noch ungenutzt sind.

Weitere Informationen zu den Vortragsreihen finden Sie hier.