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ITH: Was ist sauber? Analytik im Bereich Medizintechnik

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Prof. Dr. Volker Biehl, Dr. Anke Sies, André Blach, (v.l.n.r.) Prof. Dr. Tobias Preckel und Naomi Kraft waren kurzfristig verhindert

Die Entwicklung und Herstellung von Medizinprodukten erfordert, neben den klinisch-funktionalen Aspekten, auch verlässliche Informationen über ihre Zusammensetzung, Eigenschaften und Wirkungen auch unter Berücksichtigung der notwendigen Fertigungshilfsstoffe. Eine fachgerechte, sichere und wirtschaftliche Analytik ist daher bei allen Schritten der industriellen Produktion in der Branche der Medizintechnik unverzichtbar. Womit wir beim Thema der Veranstaltung „Was ist sauber? Analytik im Bereich der Medizintechnik“ vom 17. März 2022 der Reihe „Industrie trifft Hochschule“ der Hochschule Pforzheim und der Clusterinitiative „Hochform“ des Wirtschafts- und Stadtmarketings Pforzheim sind.

„Der Begriff der Sauberkeit verfolgt mich seit ich die Universität verlassen habe. Die Definition des Begriffs ist schwer und die Bandbreite riesig“, leitete Dr. Volker Biehl, Professor im Studiengang Medizintechnik, in das Thema ein. Die Verantwortung für Medizinprodukte ist groß. Das zeigt der Fall der Schweizer Firma Sulzer Medica, die 2001 zwar sterile, aber durch Mineralölspuren verunreinigte Hüftgelenksimplantate in den Handel brachte. „Noch gibt es keine allumfassende Antwort, was `sauber´ ist. Hier ist der Gesetzgeber gefragt, die Richtlinien dafür zu schaffen“, mahnte Biehl.

Einig sind sich alle ExpertInnen, dass Sauberkeit eine Grundvoraussetzung für Biokompatibilität ist. Das Unternehmen Chemisches Institut Pforzheim GmbH (kurz: CIP) hat sich auf die Durchführung von Laborarbeiten in den Bereichen Umweltanalytik und Gefahrstoffanalytik sowie von analytischen Arbeiten unter Einhaltung der Grundsätze der Guten Laborpraxis (GLP) spezialisiert. Dr. Anke Sies, die die technische Leitung (Analytik) bei CIP unter sich hat, stellte die Ergebnisse der Bachelorarbeit „Freisetzung von Metallionen aus Dentalimplantaten unter Anwendung der GLP“ von Naomi Kraft vor, die in Kooperation mit Professor Biehl und Professor Preckel entstanden ist.

Untersucht wurden insgesamt fünf Proben, vier Implantate und ein Titanplättchen. Die Versuchsreihe fand unter simulierten in-vivo-Bedingungen statt und die Ergebnisse wurden anschließend mittels ISP-MS (Inductively Coupled Plasma - Mass Spectrometry, auf Deutsch Massenspektrometrie mit induktiv gekoppeltem Plasma) quantifiziert. Der experimentelle Ablauf war vierstufig angelegt: Probenvorbereitung, Probenlagerung, Probenentnahme und Messung. Die Qualitätssicherung der Ergebnisse erfolgte unter den Kenngrößen: Richtigkeit, Präzision, Linearität/Arbeitsbereich, Nachweis- und Bestimmungsgrenze, Selektivität/Spezifität und Robustheit.

André Blach, Geschäftsführung,  Consultant and Quality Manager in der Medizintechnik bei der q-puls aus Lengerich, steht Unternehmen beratend zur Seite, bietet z.B. Coaching, Schulungen im Bereich Prozessmanagement, QM-Systemen, Validierungen an. Herr Blach sprach in einem kurzen Abriss über die Bewertung von Sauberkeit bei Medizinprodukten. Wichtig für ihn ist, dass die gesamte Herstellungskette betrachtet wird. Zum einen bestehen Medizinprodukte oft aus verschiedenen Materialien, was die Detektion kontaminierter Stellen schwierig gestaltet. Zum anderen müssen die unterschiedlichen Anwendungsbereiche von Medizinprodukten betrachtet werden, die für Patienten in Bezug auf Sauberkeit verschiedenste Risiken bedeuten könnten. Hersteller von Medizinprodukten müssen für die Patientensicherheit garantieren. Die Europäische Union hat hier durch die Medical Device Regulation 2017/725 (MDR) ) die Rechtslage für Medizinprodukte verschärft. Herstellungsprozesse müssen definiert und dokumentiert werden und sind damit nicht mehr einfach veränderbar. Es bleibt die Frage offen, „welche Sauberkeitsansprüche für die hergestellten Medizinprodukte bestehen und in welcher Form die Sauberkeitsanforderungen und mögliche Reinigungsprozesse ausgelegt werden müssen?“, so Blach.

Nächste Veranstaltungstermine der Reihe:

Donnerstag, 02. Juni 2022
„Additive Herstellung von präzisen Klein- und Mikrobauteilen“ | Prof. Dr.-Ing. Carlo Burkhardt

Donnerstag, 27. Oktober 2022
"Circular Economy – Chance für Innovationen in Mittelstand und Industrie" | Prof. Dr.-Ing. Claus Lang-Koetz; Prof. Dr.-Ing. Jörg Woidasky

Donnerstag, 01. Dezember 2022
"Digitaler Zwilling und Industrie 4.0 Verwaltungsschale" | Prof. Dr.-Ing. Mike Barth; Prof. Dr.-Ing. Rainer Drath