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Die Arbeit mit unseren Studierenden wird mir fehlen

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Nach einem Vierteljahrhundert verlässt Professor Dr.-Ing. Gerhard Frey die Fakultät für Technik

Das Ende des Wintersemesters 2022/23 markierte für Gerhard Frey auch das Ende seines 25-jährigen Wirkens an der Hochschule Pforzheim. Im Jahr 1998 begann er hier seine Lehrtätigkeit im Bereich Maschinenbau. Schon sehr bald wirkte er auch über den Hörsaal hinaus: Von 2000 bis zu seiner Verabschiedung machte er sich als Studiendekan um die Weiterentwicklung der Maschinenbaustudiengänge verdient.

Herr Professor Frey, bereits zwei Jahre nach Ihrem Einstieg an der Fakultät für Technik haben Sie sich auch als Studiendekan für die Belange des Fachbereichs Maschinenbau und darüber hinaus eingesetzt. Wie haben Sie diese Jahre in Erinnerung?
Es war für mich überraschend, wie viele Dinge zu entscheiden waren. Feste Regelwerke, die heute z.B. in einer sehr voluminösen SPO oder in entsprechenden Anweisungen festgezurrt sind, gab es relativ wenige. Wichtige Entscheidungskriterien ergaben sich mit gesundem Menschenverstand und dem Austausch mit Kollegen.
Außerdem waren die ersten Jahre geprägt durch den Aufbau der Studieninhalte und die Berufung neuer Kollegen, die ersten Absolventen haben erst zu Beginn der 2000er Jahre ihr Studium abgeschlossen. Es war, salopp gesagt, die Sturm- und Drangzeit des Aufbaus der Technik-Studiengänge.

Stichwort Neuausrichtung des Studienprogramms – die Maschinenbaustudiengänge wurden immer weiterentwickelt und optimiert. Was ist bei der aktuellen strategischen Ausrichtung des Studienprogramms besonders?
Leider werden die klassischen Technik-Studiengänge zunehmend verkannt. Virtuelle Entwicklung, Computer-Technologien und Internet of Things scheinen die physischen Aspekte beim klassischen Entwickeln, Konstruieren und Fertigen von Produkten überflüssig zu machen. Außerdem habe ich den Eindruck, dass die Meinung aufkommt, für z.B. E-Mobilität und Anwendung von KI braucht es keine Maschinenbauingenieure und -ingenieurinnen.
Das absolute Gegenteil ist der Fall: Bei der Implementierung von Software und der „Intelligenz“ von Produkten braucht es EntwicklerInnen, die die Gesamtsysteme mit allen technischen Komponenten und Zusammenhängen verstehen und beherrschen.
Daher halte ich es für sinnvoll, breite Inhalte mit einer soliden Basis für eine vielfältige Anwendung des Wissens in verschiedenen Berufen im Studiengang „allgemeiner Maschinenbau“ anzubieten. Damit bietet sich ein extrem breites Spektrum beruflicher Ausrichtung. Die Transformation des Begriffes „Maschinenbau“ hin zu intelligenten, smarten nachhaltigen Produkten und Verfahren ist m. E. auf dem Weg.
Für die Benennung der Mikrostudiengänge werden die Anwendungsziele der Studieninhalte präziser benannt. Es werden ebenfalls wichtige und breite Grundlagen vermittelt, für die Bewerber / Bewerberinnen sowie die Studierenden stehen die beruflichen Arbeitsfelder von vornherein im Fokus.


Wie hat sich das Lehren innerhalb der vergangenen Jahre für Sie verändert?
Mit dem Bachelor wurden umfassende Beschreibungen von Lehrveranstaltungen eingeführt, die für die Studierenden das Ganze überschaubarer und planbarer machen sollen.
Dies ist leider nicht immer der Fall.
Grundlage der Wissensaneignung ist idealerweise Neugier und die aktive Erschließung unbekannten Terrains. Sehr wichtig scheinen mir daher Diskussionen über die in den Veranstaltungen behandelten Inhalte und die Bezüge zur Berufswelt, die sich jedoch nicht vorher festlegen lassen. Die vorherige Benennung von Themen und Inhalten kann dazu führen, dass den Studierenden der Besuch von Präsenzveranstaltungen nicht mehr wichtig erscheint. Dass die Lehrenden häufig „Geschichten aus der Praxis“ erzählen, wird dabei nicht berücksichtigt. Gemeinsam mit Kollegen habe ich immer wieder festgestellt, dass „Stammzuhörer“ regelmäßig besser abgeschnitten und ihr Studium erfolgreicher abgeschlossen haben.
Ein weiterer Punkt sind die zunehmend aus dem Internet übernommenen Informationen und Meinungen. Dies erfordert ein sehr hohes Maß an Kritik- und Beurteilungsfähigkeit, die in die Lehre einfließen müssen.


Was werden Sie am Ende Ihrer Hochschulzeit am meisten vermissen?
Das Ende der beruflichen Aufgaben hat schon ein wenig mit der Umstellung der Lebensstrategie zu tun. Die Arbeit mit den Studierenden und Kollegen/Kolleginnen und dem damit verbundenen Austausch war immer erfüllend und hat Spaß gemacht. Ich freue mich darauf, weiter über die Ereignisse an der Hochschule Pforzheim informiert zu sein und mit den ehemaligen Kollegen und Kolleginnen in Kontakt zu bleiben.

Herr Professor Frey, würden auch Sie sich heute noch für das Maschinenbaustudium entscheiden?
Unbedingt. Wie schon bei der strategischen Ausrichtung des Studienprogramms angedeutet, werden eine Reihe wichtiger Kompetenzen vermittelt. Statisches und dynamisches Verhalten von Bauteilen und Systemen, Werkstoffeigenschaften, Fertigungsprinzipien, -verfahren, -maschinen und –organisation, Projektmanagement, Anwendung und Entwicklung von Softwaresystemen, Problemlösungskompetenz, um nur einige zu nennen. Dies führt dazu, dass ein erstaunlich breites Spektrum unterschiedlicher Berufe und Branchen selbstständig und in der Industrie offensteht. Kein anderes Studium bietet derartig viele Möglichkeiten.
Die praktischen Aspekte des Studiums an einer Hochschule für angewandte Wissenschaften haben mich schon immer begeistert: Die theoretischen Inhalte werden mit praktischen und in der Regel auch aktuellen Aufgaben verbunden. Diese interdisziplinär gemeinsam mit Inhalten und Studierenden aus anderen Studiengängen zu lösen, toppt das Ganze.

Was macht der Privatmann Gerhard Frey, wenn er ab Frühjahr mehr Zeit hat?
Schon immer haben mich auch anspruchsvolle praktische/handwerkliche Aufgaben in Haus und Garten in den Bann gezogen. Hinzugekommen sind mit der Zeit Enkel, aktuell ergänze ich das mit der Erkundung von Land und Leuten in der weiteren Umgebung mit einem Camper.

Das sagen die ehemaligen Kollegen:

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Alle Veränderungen und Umbrüche an der Hochschule, in der Fakultät für Technik und im Fachbereich Maschinenbau hast Du über 25 Jahre miterlebt und mit begleitet, davon 23 Jahre als Studiendekan, d.h. als Vertreter des Maschinenbaus im Prüfungsausschuss und als Studiengangleiter Maschinenbau/Produktentwicklung. Studiengangleiter mit Auf und Ab über sage und schreibe 23 Jahre, ein anstrengendes und forderndes Amt, „um das sich alle reißen“ – dafür gebührt Dir unser aller Dank! Du hinterlässt bei uns an der Hochschule und im Maschinenbau eine große Lücke! Besonders traurig finde ich, dass wir mit Dir eine wichtige Kompetenz des Maschinenbaus verlieren, die Kunststofftechnik. Ich möchte Dir ganz herzlich danke sagen für Dein langjähriges und großartiges Engagement für die Hochschule Pforzheim und den Maschinenbau im Besonderen.
Professor Dipl.-Ing. Jürgen Wrede
Professor im Maschinenbau

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Ein unersetzlicher Kollege hat sich in den wohlverdienten Ruhestand verabschiedet. Du hast große Fußstapfen hinterlassen, die schwer zu füllen sind. Du bist ein Vorbild für mich und ich will versuchen, die Lücke zu füllen, auch wenn dies sehr schwer werden wird. Vom ersten Semester an hast Du die Studierenden geprägt und zu verantwortungsbewussten Persönlichkeiten geformt. Ich möchte ganz herzlich DANKE sagen.
Professor Dr.-Ing. Jürgen Bauer
Studiendekan Maschinenbau


 

Prof. Dr.-Ing. Gerhard Frey mit Prof. Dipl.-Ing. Jürgen Wrede (rechts)

Zur Person

Gerhard Frey wurde 1957 in Stuttgart geboren.

Nach dem Abitur studierte er Kunststofftechnik an der Fachhochschule Aalen und nachfolgend Werkstoffwissenschaften an der Technischen Universität Berlin. Seine Promotion schloss er 1989 erfolgreich zum Thema „Eigenverstärkung von Kunststoffen“ ab.
An seine Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Berlin im Bereich Kunststofftechnik/Konstruktion, schloss er 1990 seinen Berufseinstieg bei der Firma Krupp Forschung in Essen an.
Nach der Tätigkeit als Leiter der Konstruktion für Alfmeier Präzision in Treuchtlingen, Hersteller von Komponenten für Kfz, folgte er 1998 dem Ruf an die Hochschule Pforzheim.