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Industrie trifft Hochschule - Additives Fertigungsverfahren: 3D-Faserwickeln

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Industrie trifft Hochschule - Philipp Bauer M.Sc., Prof. Dr.-Ing. Ingolf Müller, Dr.-Ing. Andre Stieglitz, Dipl.-Ing. Valentin Hörtdörfer (v.l.n.r.)

Forschung und Anwendung rund um das 3D-Faserwickeln lockte am Donnerstagabend, 05. Dezember 2019, viele Interessierte an die Fakultät für Technik der Hochschule Pforzheim. Der Austausch der Fachleute aus Unternehmen mit Professoren und Mitarbeitern der Hochschule Pforzheim stand neben vielen neuen Entwicklungen im Vordergrund. Veranstaltet wird „Industrie trifft Hochschule“ (ITH) von der Hochschule Pforzheim und der Präzisionstechnik-Cluster-Initiative „Hochform“ (Wirtschafts- und Stadtmarketing Pforzheim WSP).

Dem Konstrukteur steht heute eine Vielzahl von Werkstoffen zur Lösung von anwendungsbezogenen Problemen zur Verfügung. Kunststoffe bilden eine dieser Werkstoffgruppen, die eine besonders große Typenvielfalt aufweisen. Sie haben eine lange Geschichte und haben unsere Produktwelt stark verändert. Heute ist die Entwicklung neuer Ressourcen schonender Verfahren eine wichtige Grundvoraussetzung für die Industrie und führen zu innovativen Leichtbau-Fertigungsverfahren. Eines davon ist das 3D-Faserwickeln. Der Pforzheimer Professor Dr.-Ing. Ingolf Müller und sein Team forschen schwerpunktmäßig rund um das additive Leichtbau-Fertigungsverfahren 3D-dimensionales robotergestütztes Faserwickeln. „Unsere Motivation neue Leichtbau-Fertigungsverfahren zu entwickeln liegt dem Wunsch zugrunde, keine teuren und für die Umwelt schädlichen Materialien wegwerfen zu müssen. Deshalb beschäftigen wir uns schwerpunktmäßig mit Faserverbundwerkstoffen und ihrer Verarbeitung“, erklärte Ingolf Müller. Neben dem richtigen Material ist aber vor allem das lastgerechte Design von großer Bedeutung. Wie kann eine Struktur mit ihrer Komplexität und ihrer Funktion leicht gemacht werden? Dazu muss der Konstrukteur genau berechnen, wo die maßgebende Belastung liegt. „Wichtig zu wissen ist, wo genau am Bauteil die Kräfte wirken. Die Stellen, die keine Lasten tragen müssen, brauchen weniger oder kein Material“, erläuterte Professor Müller.

Das Pforzheimer Forschungsteam setzt hier mit seinem Roboter-basierten Faserwickelverfahren an. Philipp Bauer M.Sc., Forschungsmitarbeiter an der Hochschule Pforzheim und bei LCT Lightweight & Composite Technologies in Eriskirch, erklärte die Funktionsweise und die Vorteile dieses innovativen Verfahrens: Eine erste Verbesserung im Vergleich zum klassischen Wickelverfahren zeigt sich durch optimierte Wickelpfade. Neue Wendepunkte beim Wickeln führen zu optimaler Produktgeometrie. Das verbesserte Ausgangsmaterial, das sogenannte TowPreg, sind mit Harz vorimprägnierte Faser-Rovings, welche auf Spulen gelagert werden. Abgesehen von momentan noch höheren Kosten, können kürzere Prozesszeiten mit höherer Qualität verzeichnet werden. Die dritte wesentliche Verbesserung liegt an dem an der Hochschule Pforzheim entwickelten Wickelkopf, der auf einem 6-Achs Gelenkroboter angebracht wird. „Mit ihm lassen sich komplexe Geometrien präzise wickeln. Materialverschnitt ist bei dieser Fertigungsmethode sehr gering und der reproduzierbare Fertigungsprozess verursacht kaum Ausschuss“, so Philipp Bauer.

Dipl.-Ing. Valentin Hörtdörfer stellte die Fertigungstechnologie CompoSpoke vor, die am Institut für Verbundwerkstoffe GmbH in Kaiserslautern entwickelt wurde. „Wir erfinden mit ihr das Rad neu“, postulierte Hörtdörfer. Bisher ist es sehr aufwendig und mit viel Materialverlust verbunden ein Rad aus Faserkunststoffverbund herzustellen. Das Verfahren basiert auf einer Nasswickelmethode, bei dem die Fasern automatisiert auf kleine Formteile aufgewickelt und gleichzeitig zu Radstrukturen umgeformt werden. Das Verfahren ist extrem Ressourcen schonend. Der Produktionsprozess ist vollautomatisiert und führt damit zu niedrigen Produktionskosten. Zurzeit ist es das einzige vollvariable Verfahren, mit dem aus einem einzelnen kontinuierlichen Faserband Radstrukturen hergestellt werden können. Es lassen sich aufgrund der hohen Flexibilität nahezu alle Kundenwünsche realisieren.

„Wie kann man mit Leichtbau Geld verdienen“, diese Frage stellte Dr.-Ing. Andre Stieglitz, ZF Friedrichshafen AG, Osnabrück. Damit Leichtbau sinnvoll ist, müssen vier Faktoren erfüllt sein: Auf den Bauteilen muss eine relevante Belastung liegen – diese muss genau bekannt sein – die Hauptrichtungen der Lasten müssen bekannt sein – Fasern müssen in Belastungsrichtung ausgerichtet werden. Die Materialien und Fertigungsverfahren müssen nach diesen vier Kriterien ausgesucht werden. Alles zusammen kann zu einer signifikanten Reduktion der Treibhauseffekte führen, wobei immer noch die Wettbewerbsfähigkeit bei der Produktproduktion eine maßgebliche Rolle spielt. „Es zählt nicht immer der maximale Leichtbau, sondern der bezahlbare“, resümierte Dr.-Ing. Ingolf Müller.

Anschließend konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die vorgestellten Ergebnisse intensiv beim Get-together diskutieren.

Weitere Veranstaltungen der Reihe:

Donnerstag, 19.März 2020
Lasermaterialbearbeitung: Neues aus Forschung und Industrie | Prof. Dr.-Ing. Roland Wahl

Donnerstag, 18. Juni 2020
Trends in Life Science | Prof. Dr.-Ing. Tobias Preckel

Donnerstag, 22. Oktober 2020
Ultraeffizient-Herstellung von Permanentmagneten zur Ressourcenschonung | Prof. Dr.-Ing. Carlo Burkhardt

Donnerstag, 03. Dezember 2020
Info-Veranstaltung zum Zentrum für Präzisionstechnik (ZPT) | Oliver Reitz, Markus Epple, Prof. Dr.-Ing. Carlo Burkhardt