Das STUDIUM GENERALE

Das Programm im Sommersemester wurde mit dem Campus Classic Concert des Südwestdeutschen Kammerorchesters beendet. Wir freuen uns, Sie ab dem 15. Oktober wieder mit dem Programm des Wintersemesters 2025 im Studium Generale begrüßen zu dürfen! Weitere Informationen zum Programm werden zeitnah hier ergänzt.

Sie möchten keine Informationen verpassen? Dann nehmen wir Sie gerne in unseren Newsletter auf - eine kurze Mail an studium-generale(at)hs-pforzheim(dot)de genügt!
 

Hinweis an unsere Studierenden: Bei entsprechender Reflexion und Dokumentation kann der Besuch der Studium-Generale-Vorträge (ausgenommen das Konzert) mit bis zu 3 Ethikpunkten in Ihrem Ethikums-Zertifikat angerechnet werden. Weitere Informationen finden Sie hier.
 

Mit den besten Grüßen
Ihr STUDIUM GENERALE TEAM
Prof. Dr. Frauke Sander & Prof. Dr. Nadine Walter

Werte in Gefahr – Wie religiöser und rechter Extremismus unsere Demokratie bedrohen
 

Zwei ideologische Strömungen, die sich oft als Gegner gegenüberstehen, wirken paradoxerweise als gefährliche Verbündete. Religiöser Extremismus und rechter Radikalismus – die „bösen Zwillinge“ – verstärken sich gegenseitig und nehmen der demokratischen Gesellschaft Werte und Zusammenhalt. Der Vortrag beleuchtet, wie beide Erscheinungsformen sich wechselseitig bedienen, das Vertrauen in demokratische Institutionen untergraben und gleiche Werte wie Meinungsfreiheit und Menschenwürde attackieren. Düzen Tekkal lädt dazu ein, den Blick zu schärfen: Welche Mechanismen treiben diese Dynamik an? Welche Rolle spielen Integrationsdefizite und politische Schweigespiralen? Und wie kann ein universelles Werteverständnis dem entgegenwirken? Mit klaren Thesen, konkreten Beispielen aus Deutschland und dem Irak sowie Perspektiven für eine engagierte Zivilgesellschaft entsteht ein anregender und eindringlicher Blick auf die Krise unserer Werte – und auf neue Möglichkeiten. 

Düzen Tekkal ist Journalistin, Menschenrechtsaktivistin und Trägerin des Pforzheimer Friedenspreises 2025. Foto: Byndc

Düzen Tekkal ist Autorin, Journalistin, Filmemacherin und Menschenrechtsaktivistin kurdisch‑jesidischer Herkunft. Sie studierte Politikwissenschaft und Germanistik in Hannover und arbeitete unter anderem für RTL‑Formate wie stern TV und Extra. Zusammen mit ihren Schwestern gründete sie 2015 die Menschenrechtsorganisation HÁWAR.help e.V., die sich vor allem für die Rechte und die Verbesserung der Lebensrealitäten von Mädchen und Frauen in (post-)Konfliktzonen wie Irak, Syrien, Afghanistan, aber auch in Deutschland, sowie für die Freiheitsbewegung in Iran stark macht. Tekkals Buch „#GermanDream. Wie wir ein besseres Deutschland schaffen“ stieß eine breite Debatte über Werte und Zugehörigkeit in Deutschland an. Mit der gleichnamigen Bildungsbewegung GermanDream setzt sich Tekkal für ein wertebasiertes Deutschland und gegen Extremismus und Menschenfeindlichkeit ein.

Organisierte Kriminalität – unterschätztes Risiko oder medialer Mythos?
 

Manche Medienberichte erwecken den Eindruck, dass Clans, Mafia-Strukturen oder internationale Banden auch hierzulande eine immer größere Rolle spielen, aber ist das tatsächlich so? Und was genau zeichnet diese Form der Kriminalität aus, worin unterscheidet sie sich von „gewöhnlicher“ Kriminalität? In diesem Vortrag erfahren, Sie welche Delikte typisch sind, wie Strukturen der organisierten Kriminalität aufgebaut sind und welche Gruppen in Deutschland bzw. speziell in Baden-Württemberg aktiv sind. Gleichzeitig werfen wir einen Blick hinter die Kulissen: der Vortrag beleuchtet wie Polizei und Staatsanwaltschaft gegen diese gut organisierten Strukturen vorgehen. Anhand konkreter Fälle wird deutlich, welche Ermittlungsmethoden eingesetzt werden, wer in solchen Verfahren zusammenarbeitet und welche Herausforderungen bis zu einer möglichen Anklage und Verurteilung entstehen. Ein informativer Einblick in eine verborgene Welt – und in die oft jahrelangen Bemühungen, sie ans Licht zu bringen.

Peter Holzwarth ist Oberstaatsanwalt, Staatsanwaltschaft Stuttgart. Foto: Privat

Als Oberstaatsanwalt kennt Peter Holzwarth die Welt der Organisierten Kriminalität nicht nur aus der Theorie, sondern aus erster Hand. Durch seine langjährige Erfahrung in der Strafverfolgung weiß er, wie Ermittlungen aufgebaut werden, welche rechtlichen Rahmenbedingungen gelten und wie Täter versuchen, ihre illegalen Aktivitäten im Verborgenen zu halten. Er gibt authentische Einblicke in die Realität der Ermittlungsarbeit und zeigt, wie Polizei und Justiz zusammenarbeiten, um kriminelle Netzwerke zu zerschlagen.

Kriege, Krisen, Konflikte: Neue Herausforderungen und Wege für die deutsche Außenpolitik
 

Der anhaltende Krieg Russlands gegen die Ukraine, der weiter schwelende Nahostkonflikt und die Krise im transatlantischen Verhältnis stellen die Bundesregierung vor große Herausforderungen. Wie geht sie damit um in Zeiten wirtschaftlicher Stagnation und um sich greifendem Populismus in Deutschland und in Europa? Welche Wege führen aus dieser vielleicht schwierigsten Situation heraus, in der sich Deutschland und Europa nach dem Zweiten Weltkrieg befunden haben? Bedarf es eines radikalen Umdenkens, des Einschwenkens auf eine nationalistischere Politik und einer Abkehr von europäischen Herangehensweisen? Oder ist es heute wichtiger denn je, dass sich Deutschland rückbesinnt auf die Werte und Prinzipien, die dem Zentrum Europas nach den furchtbaren Schrecken dreier Kriege die längste Periode des Friedens in der Geschichte unseres Kontinents geschenkt hat, nämlich auf den Rechtsstaat und auf eine auf unserem Grundgesetz, den europäischen Verträge und der Charta der Vereinten Nationen beruhenden Rechtsordnung?

Christoph Heusgen, Diplomat und ehemaliger außen- und sicherheitspolitischer Berater von Angela Merkel. Foto: MSC/Kuhlmann

Dr. Christoph Heusgen, geboren 1955, ist ein deutscher Diplomat. Von 2022 bis 2025 leitete er die Münchner Sicherheitskonferenz. Zuvor war er von 2017 bis 2021 Ständiger Vertreter Deutschlands bei den Vereinten Nationen in New York. Ab 2005 fungierte er als außen- und sicherheitspolitischer Berater von Bundeskanzlerin Angela Merkel. In den Jahren 1999 bis 2005 leitete er den politischen Staab von Javier Solana im Generalsekretariat des Rates der Europäischen Union in Brüssel. Zwischen 1988 und 1999 nahm Heusgen verschiedene Funktionen im Auswärtigen Amt wahr, unter anderem als stellvertretender Generaldirektor für europäische Angelegenheiten. Seine diplomatische Laufbahn begann 1980 mit Stationen am deutschen Konsulat in Chicago und an der Botschaft in Paris. Heusgen ist Absolvent der Universität St. Gallen in der Schweiz, studierte am Georgia Southern College in den USA und an der Sorbonne in Paris.

1,5 Grad-Ziel verfehlt – und jetzt? Klimapolitik am Scheideweg
 

Das Thema Klima ist in Anbetracht der derzeitigen weltpolitischen Probleme in den Hintergrund getreten. Doch dafür gibt es keinen Grund, denn die Lage ist dramatisch: Vergangenes Jahr wurde das Pariser Ziel einer maximalen Klimaerwärmung von möglichst 1,5 Grad bereits erreicht. Noch ist unklar, ob es nur ein Einzeljahr betrifft, aber der Klimawandel beschleunigt sich offensichtlich. Extreme Wetterphänomene deuten das an.

Eine effektive globale Klimapolitik ist derzeit nicht in Sicht. Im Gegenteil: Fossile Energieträger feiern eine Renaissance. Deutschland und die EU halten zwar an ihren ambitionierten Zielen einer Klimaneutralität fest. Doch sind diese Ziele realistisch und mehr noch: Sind sie sinnvoll? Und vor allem: Gäbe es eine Alternative zu der bisherigen Klimapolitik? Der Referent wagt es, einige unbequeme Fragen zu stellen.

Mario Schmidt studierte Physik und Astronomie, wandte sich dann aber Umweltthemen zu. Von 1985 bis 1998 war er maßgeblich am Aufbau des unabhängigen Umweltforschungsinstituts IFEU in Heidelberg beteiligt und beriet dabei Akteure aus Politik und Wirtschaft. Zwischendurch war er Referatsleiter beim Umweltsenator in Hamburg. An der Hochschule Pforzheim ist er seit 1999 Professor. Dort hat er das Institut für Industrial Ecology (INEC) gegründet und zahlreiche Publikationen zu seinen Schwerpunktthemen Klimaschutz, Ökobilanzen und Ressourceneffizienz veröffentlicht. Von 2012 bis 2021 war er im Nachhaltigkeitsbeirat der Landesregierung Baden-Württemberg, von 2021 bis 2024 in der Ressourcenkommission des Umweltbundesamtes. Aktuell ist er Co-Vorsitzender der Umweltjury Blauer Engel.

Prof. Dr. Mario Schmidt ist Professor für Ökologische Unternehmensführung, Hochschule Pforzheim. Foto: Privat.

Diese Vorträge fanden im Sommersemester statt:

Warum Intelligenz nicht alles ist – aber vieles leichter macht

News

Elsbeth Stern im Studium Generale: Bildung als Schlüssel zur Nutzung kognitiver Potenziale
stehen nebeneinander im Audimax und lächeln: Die Professorinnen Dr. Frauke Sander, Dr. Elsbeth Stern und Dr. Nadine Walter freuten sich über das große Interesse am Thema Intelligenz.

(v.l.n.r.) Die Professorinnen Dr. Frauke Sander, Dr. Elsbeth Stern und Dr. Nadine Walter freuten sich über das große Interesse am Thema Intelligenz. Cornelia Kamper / HS PF.

Was ist Intelligenz – und welche Rolle spielt sie für unser Lernen und Leben? In ihrem Vortrag im Rahmen des Studium Generale an der Hochschule Pforzheim ging Professorin Dr. Elsbeth Stern diesen Fragen auf den Grund. Die renommierte Bildungsforscherin für Lehr- und Lernforschung von der ETH Zürich spannte im voll besetzten Audimax einen Bogen von grundlegenden Definitionen bis hin zu aktuellen Erkenntnissen der Intelligenzforschung – fundiert, verständlich und mit erfrischender Klarheit. 

Intelligenz, so Stern, ist ungleich verteilt – folgt dabei aber einer statistischen Regelmäßigkeit: der sogenannten Glockenkurve. Rund 70 Prozent der Menschen gelten als durchschnittlich intelligent, jeweils etwa 15 Prozent liegen darunter oder darüber. Dass Intelligenz sowohl durch genetische Anlagen als auch durch Umwelteinflüsse geprägt ist, ist wissenschaftlich gut belegt. Stern sprach in diesem Zusammenhang von „Nature via Nurture“ – also einer Wechselwirkung zwischen Veranlagung und Förderung. Ihre zentrale Botschaft: Erst durch qualitativ hochwertige Bildung wird das kognitive Potenzial eines Menschen wirklich nutzbar gemacht.

„In der Schule lernt man in wenigen Jahren alles, was die Menschheit sich über Jahrhunderte erarbeitet hat“, so Stern. Bildung sei damit nicht nur Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe, sondern auch ein entscheidender Faktor für die individuelle Entfaltung von Intelligenz. Was im Gehirn angelegt sei, müsse durch schulische Förderung und passende Lernumgebungen aktiviert werden.

Ein Schwerpunkt des Abends lag auf dem Arbeitsgedächtnis, das als Basis für intelligentes Verhalten gilt. „Wir können langfristige Ziele setzen und sie in Unterziele unterteilen – das unterscheidet uns von anderen Lebewesen“, erklärte die Psychologin. Gleichzeitig betonte die Professorin die Bedeutung des lebenslangen Lernens. Zwar gelte: „Je intelligenter jemand ist, desto leichter fällt es, Wissen aufzunehmen und zu behalten.“ Doch ebenso wichtig sei: „Jeder kann lernen, jeder muss lernen – in vielen Bereichen lassen sich Intelligenzunterschiede durchaus kompensieren.“ Entscheidend sei der Zugang zu guter Bildung.

Ein überraschender Aspekt des Vortrags: Die im Alltag oft bemühte Unterscheidung zwischen sprachlicher und mathematischer Begabung hält empirisch nicht stand. Stattdessen zeigen Tests das sogenannte „positive Manifold“: Kognitive Fähigkeiten treten meist gemeinsam auf, d.h. wer in einem Bereich gut abschneidet, erzielt meist auch in anderen kognitiven Domänen überdurchschnittliche Ergebnisse. „Sprachliche und numerische Fähigkeiten korrelieren stark miteinander und tragen beide zum logischen Denken bei“, so Stern.

Die Referentin räumte im Verlauf des Abends mit weiteren gängigen Mythen auf: Ein fotografisches Gedächtnis etwa gebe es nicht, und Intelligenz sage wenig über Persönlichkeitseigenschaften wie z.B. Empathie oder Gewissenhaftigkeit aus. Allerdings lasse sich ein Zusammenhang zur Lebenszufriedenheit zumindest in einem gewissen Maß statistisch nachweisen: Intelligente Menschen seien im Schnitt etwas zufriedener mit ihrem Leben.
 

Mit ihrem wissenschaftlich fundierten und zugleich anschaulich gestalteten Vortrag - gespickt  mit interaktiven Testaufgaben für das Publikum – setzte Professorin Dr. Elsbeth Stern einen markanten Akzent in der Debatte über Leistungsfähigkeit, Chancengleichheit und Bildungsauftrag. Sie machte deutlich: Intelligenzunterschiede – etwa durch genetische Voraussetzungen – werden sich auch bei größtmöglicher Chancengleichheit nie vollständig ausgleichen lassen. „Das Ausmaß an Gerechtigkeit in einer Gesellschaft lässt sich daran messen, wie stark genetische Unterschiede zur Erklärung von Intelligenzvariationen beitragen“, so ihr Fazit. Je gerechter die Bildungschancen, desto stärker zeigt sich der genetische Einfluss – wie etwa in skandinavischen Ländern: „Dort findet man einen besonders hohen Anteil an genetisch bedingten Intelligenzunterschieden.“

Das lebhafte Interesse des Publikums spiegelte sich nicht nur im vollen Walter-Witzenmann-Saal (Audimax) wider, sondern auch in den zahlreichen Nachfragen nach dem Vortrag. Die angeregten Diskussionen setzten sich beim anschließenden Get-together noch lange fort.


Das Studium Generale wird am 4. Juni ab 19 Uhr fortgesetzt. Den Abschluss im Sommersemester 2025 bildet das Campus Classic Concert des Südwestdeutschen Kammerorchesters Pforzheim.

 

 

Foto: Cornelia Kamper / HS PF.

„Die Gesellschaft muss die Verfassung schützen“ – Weckruf von Maximilian Steinbeis

News

Verfassungsrechtler warnt in Pforzheim vor gezielter Aushöhlung demokratischer Institutionen.
Prof. Dr. Frauke Sander, Maximilian Steinbeis, Rektor Prof. Dr. Ulrich Jautz sowie Prof. Dr. Nadine Walter nahmen die Besucher*innen des Studium Generale freudig in Empfang.

(v.l.n.r.) Prof. Dr. Frauke Sander, Maximilian Steinbeis, Rektor Prof. Dr. Ulrich Jautz sowie Prof. Dr. Nadine Walter nahmen die Besucher*innen des Studium Generale freudig in Empfang. Foto: Cornelia Kamper/Hochschule Pforzheim.

Es ist ein Appell, der nicht juristisch-technisch daherkommt, sondern wachrütteln will: „Es reicht nicht, wie das Kaninchen auf die Schlange zu starren“, sagt Maximilian Steinbeis in seinem Vortrag an der Hochschule Pforzheim. „Denn es ist nicht die Verfassung, die die Gesellschaft schützt – sondern umgekehrt: es ist die Gesellschaft, die die Verfassung schützen muss.“ 
 

Im Rahmen des Studium Generale sprach der Jurist, Journalist und Gründer des renommierten Verfassungsblogs im gut gefüllten Audimax über nichts Geringeres als die Verteidigung des liberalen Rechtsstaats – und darüber wie fragil dieser geworden ist. Die Bedrohung? Kommt nicht laut und martialisch, sondern leise, strategisch, systematisch. Und oft demokratisch legitimiert. Steinbeis zeigte Mittel und Methoden auf wie autoritäre Populisten durch gezielte Strategien den liberalen Rechtsstaat aushöhlen – und was in Deutschland konkret auf dem Spiel steht.
 

Was in Ungarn unter Viktor Orbán bereits Realität ist – etwa der Umbau der Verfassung und Justiz durch die Fidesz-Partei – findet Nachahmer: In Italien, in Belgien – und zunehmend auch in Deutschland. Dabei zeigt sich: Die Mechanismen sind nicht neu, sondern vielfach erprobt. Steinbeis selbst hatte bereits vor fünf Jahren in seinem Szenario des „Volkskanzlers“ aufgezeigt, wie ein populistischer Regierungschef die Gewaltenteilung aushebeln und die Handlungsfähigkeit des Bundesverfassungsgerichts systematisch schwächen könnte. Schritt für Schritt, formal korrekt, aber mit klarer autoritärer Stoßrichtung.
 

Was theoretisch klingt, ist praktisch längst im Gange: In Thüringen etwa blockiert die AfD durch eine Sperrminorität im Richterwahlausschuss seit Monaten die Neubesetzung von Justizstellen. Das Ergebnis: eine politische Geiselnahme wichtiger Institutionen aus der Opposition heraus. Auch auf Bundesebene wurde diskutiert, ob eine einfache Parlamentsmehrheit genutzt werden könnte, um zentrale Verfahrensgrundlagen des Bundesverfassungsgerichts zu verändern – etwa durch die Einführung eines dritten Senats mit strategisch besetzten Richterposten. Diese Gefahr wurde jedoch erkannt: Im Dezember 2024 beschloss der Bundestag mit breiter Mehrheit eine Verfassungsänderung, die zentrale Regeln zur Besetzung des Bundesverfassungsgerichts im Grundgesetz verankert – und so politischer Willkür eine Grenze setzte.

 

Steinbeis ist keiner, der nur beschreibt – er interveniert. Seit fast 15 Jahren dokumentiert er mit seinem Blog, wie gefährdet die Resilienz demokratischer Institutionen ist – und wie autoritäre Strategien grenzüberschreitend adaptiert werden. Die Anfänge seines Engagements reichen ins Jahr 2010 zurück: Aus einer kleinen Wordpress-Plattform wurde ein internationales Forum rechtswissenschaftlicher Analyse mit Beiträgen aus der ganzen Welt.
 

Doch Steinbeis bleibt nicht im Digitalen. Zuletzt organisierte er – gemeinsam mit einem wissenschaftlichen Team – über 150 Gespräche mit Akteurinnen und Akteuren der Landespolitik in Thüringen. Ziel: Verwundbarkeiten identifizieren, Sensibilität schaffen und konkrete Gegenstrategien entwickeln. Die daraus entstandenen Empfehlungen wurden noch vor der letzten Landtagswahl als Policy Paper veröffentlicht.
 

Sein Vortrag an der Hochschule Pforzheim machte deutlich: Demokratie braucht nicht nur juristische, sondern gesellschaftliche Wachsamkeit. „Es reicht nicht, abzuwarten, was passiert. Gerade Juristinnen und Juristen sagen oft: Ich brauche erst einen Fall, um mir eine Meinung zu bilden. Aber hier müssen wir antizipativ denken – und handeln, solange noch Spielräume bestehen“, so Steinbeis.
 

Die Lektion aus dem Blick nach Osteuropa ist klar: Autoritäre Schließung beginnt leise, folgt einer Trichterlogik – und lässt den Raum für demokratisches Handeln zunehmend schrumpfen. Wer diesen Prozess aufhalten will, muss Institutionen stärken, sich organisieren, solidarisch handeln und über Parteigrenzen hinweg Verantwortung übernehmen. „Wie weit diese Strategien fortschreiten, ist keine rechtliche oder kulturelle Frage, sondern eine politische Frage und über die entscheiden wir alle“, so der Weckruf des Experten.

Maximilian Steinbeis während des Vortrags im Audimax der Hochschule PforzheimMaximilian Steinbeis hatte im Audimax der Hochschule Pforzheim einen Appell an alle Anwesenden: „Wir müssen die Verfassung schützen, nicht umgekehrt.“ Foto: Cornelia Kamper/Hochschule Pforzheim

„Altern ist die Mutter aller Krankheiten“

News

Wie Fasten, Sport und soziale Kontakte unser Leben verlängern
Gruppenbild der Organisatorinnen des Studium Generale gemeinsam mit Prof. Dr. Bernd Kleine-Gunk

Prof. Dr. Frauke Sander (l.). und Prof. Dr. Nadine Walter begrüßten Prof. Dr. Bernd Kleine-Gunk herzlich im Audimax der Hochschule Pforzheim. Foto: Cornelia Kamper / Hochschule Pforzheim.

Ist Altern eine behandelbare Krankheit? Dieser provokativen Frage widmete sich Professor Dr. Bernd Kleine-Gunk im Rahmen des Studium Generale an der Hochschule Pforzheim. Im gut gefüllten Audimax zeigte der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Präventions- und Anti-Aging-Medizin in seinem ebenso fundierten wie unterhaltsamen Vortrag aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse aus dem Bereich „Longevity“ – also der Kunst, nicht nur länger, sondern auch gesünder als der Durchschnitt zu leben.

 

„Altern ist die Mutter aller Krankheiten“, beantwortete Kleine-Gunk die zentrale Frage. Tatsächlich sind laut WHO rund 90 Prozent aller Todesursachen altersassoziiert. „Zigarettenrauchen steigert das Risiko eines Herzinfarktes um das Achtfache – ist man aber zwischen 60 und 65 Jahren, erhöht sich dieses Risiko im Vergleich zu einem 30-Jährigen sogar um den Faktor 26“, stützte Kleine-Gunk diese These beispielshaft anhand von konkreten Zahlen. Allein das Alter sei damit einer der größten Risikofaktoren überhaupt – und genau dort setze die sogenannte Longevity-Forschung an: Wie können wir Altern verlangsamen oder das biologische Alter sogar zurückdrehen?

 

Vom Molekül bis zum Mindset – welche Faktoren das Altern beeinflussen

 

Um dies zu beleuchten, stellte der Mediziner in seinem Vortrag zunächst die sogenannten „Hallmarks of Aging“ vor – zwölf wesentliche Faktoren, die maßgeblich daran beteiligt sind, dass der Körper altert. Die wichtigsten dieser Prozesse und die passenden Interventionsstrategien, präsentierte er den gespannten Zuhörer*innen. „Auch Ihr Auto das rostet oder ranzige Butter sind davon betroffen“, schmunzelte der Experte zum Thema oxidativer Stress. Ein Prozess, der im Körper freie Radikale fördert – aggressive Moleküle, die Zellstrukturen angreifen und schädigen. Doch unser Lebensstil kann dem entgegenwirken: eine Ernährung, die reich an natürlichen Antioxidantien ist, beispielsweise mit frischem Obst, Gemüse, Nüssen oder Olivenöl, könne helfen, diesen schädlichen Prozess zu bremsen. Vitaminpräparate allein seien keine Lösung, warnte Kleine-Gunk. „Mikronährstoffe wirken meist im Verbund, weshalb einzelne Präparate wie Vitamin C Pillen wenig bewirken.“ 

 

Auch unterschwellige Entzündungen im Körper, sogenannte „Silent Inflammations“, gelten inzwischen als Motor vieler Erkrankungen, die im Alter auftreten – von Herzinfarkten bis zur Demenz. Besonders spannend: Auch unscheinbare Faktoren wie die Zahngesundheit spielen dabei eine Rolle. „Wenn Sie zweimal im Jahr zur professionellen Zahnreinigung gehen, leben Sie länger“, so der Mediziner augenzwinkernd – mit ernstem Kern. Wer eine chronische Parodontitis hat, sei eher anfällig für Herzinfarkt und Demenz. 

 

Ein weiteres Problem: Zucker. Nicht nur wegen seiner bekannten Rolle bei Übergewicht und Diabetes, sondern auch, weil er im Körper Eiweiße „verklebt“. Dies kann zu einer Versteifung der Gefäße führen und das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Bluthochdruck und Arteriosklerose erhöhen. Doch der Anti-Aging Experte machte zugleich Hoffnung: „Wir kommen mittlerweile langsam dahin, Altern medikamentös behandeln zu können“, erklärte er anhand von Metformin, einem Diabetikermedikament, das derzeit in einer vielversprechenden Studie weiter untersucht werde. „Man hat festgestellt, dass Diabetiker, die Metfortmin nehmen, teilweise sogar länger leben als Menschen ohne Diabetes“, so der Arzt. 

 

Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Präventions- und Anti-Aging-Medizin, Bernd Kleine-Gunk, während des Vortrags.Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Präventions- und Anti-Aging-Medizin gab in seinem Vortrag Eindrücke in die Longevity-Forschung. Foto: Cornelia Kamper / Hochschule Pforzheim

Mit zunehmendem Alter geraten jedoch auch die sogenannten Mitochondrien aus dem Takt – die „Kraftwerke unserer Zellen“. Sie produzieren weniger Energie, gleichzeitig steigt die Menge an schädlichen Nebenprodukten. Während manche zu Nahrungsergänzungsmitteln greifen, hat die Wissenschaft eine klarere Empfehlung: Bewegung. „Sport ist das beste Anti-Aging-Programm“, betonte Kleine-Gunk. Wer sich regelmäßig bewegt, sorge dafür, dass der Körper neue, funktionstüchtige Mitochondrien bildet – und damit neue Energiequellen. 

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, wie der Körper mit den Abfällen umgeht, die im Laufe der Zeit anfallen. Mit fortschreitendem Alter häuft sich sogenannter „zellulärer Müll“ an, der die Funktion von Zellen und Organen beeinträchtigen kann (Accumulation of microbiological garbage). Ein bekanntes Beispiel hierfür sind die sogenannten Lipofuszin-Ablagerungen, die als Altersflecken sichtbar werden. „Die Frage, wer den Müll „rausbringt“, ist nicht nur eine Herausforderung für WGs – auch im menschlichen Körper stellt sich diese Frage im Alter immer drängender“, scherzte der Wissenschaftler. Hier komme das Fasten ins Spiel: Wenn wir die Nahrungsaufnahme verringern, nutzt der Körper den „zellulären Müll“ und recycelt ihn, um Energie zu erzeugen. Dies geschieht im Rahmen eines Prozesses, der als Autophagie bekannt ist. Fasten aktiviert diese Zellreinigung und fördert die Regeneration. 


Zukunftsperspektiven und praktische Ansätze: Hightech trifft auf Tradition

Neben biologischen Mechanismen rückte Bernd Kleine-Gunk auch den Blick in die Zukunft ins Zentrum seines Vortrags – und die reicht von Hightech bis hin zu uralten Lebensweisheiten. Während Konzerne wie Google und Amazon Milliarden in die Erforschung der Langlebigkeit investieren und Wearables zunehmend zum Gesundheitsmonitor werden, bleibt die Frage nach dem gesunden Altern hochaktuell. Besondere Aufmerksamkeit erregte dabei der Tech-Unternehmer Bryan Johnson, der mit einem jährlichen Budget von 2,5 Millionen Dollar versucht, sein biologisches Alter auf 18 Jahre zu senken. Dass es auch mit weniger Aufwand geht, zeigen die sogenannten „Blue Zones“ – Regionen der Welt wie z.B. Okinawa oder Sardinien, in denen die Menschen besonders alt werden. Dort basiert Langlebigkeit auf einem einfachen Lebensstil: wenig Essen, tägliche Bewegung, soziale Verbundenheit und einen Sinn im Leben. „Altern ist nicht zuletzt auch Kopfsache“, betonte Kleine-Gunk – und machte damit deutlich, dass Prävention oft mit ganz einfachen Mitteln beginnt. „Für alle, die sagen Longevity ist, wenn einem der Arzt alles verbietet, was Spaß macht habe ich noch eine gute Nachricht: moderater Weinkonsum ist meiner Meinung nach vollkommen ok“. Diese Botschaft bot einen gelungenen Übergang zum gemütlichen Umtrunk, bei dem die Besucher*innen in entspannter Atmosphäre weiter über die vorgestellten Ideen der Longevity-Forschung diskutieren konnten.


Diese Vorträge liegen bereits länger zurück:

Rückblick

stehen nebeneinander im Audimax und lächeln: Die Professorinnen Dr. Frauke Sander, Dr. Elsbeth Stern und Dr. Nadine Walter freuten sich über das große Interesse am Thema Intelligenz.

Warum Intelligenz nicht alles ist – aber vieles leichter macht

Prof. Dr. Frauke Sander, Maximilian Steinbeis, Rektor Prof. Dr. Ulrich Jautz sowie Prof. Dr. Nadine Walter nahmen die Besucher*innen des Studium Generale freudig in Empfang.

„Die Gesellschaft muss die Verfassung schützen“ – Weckruf von Maximilian Steinbeis

Gruppenbild der Organisatorinnen des Studium Generale gemeinsam mit Prof. Dr. Bernd Kleine-Gunk

„Altern ist die Mutter aller Krankheiten“

New Work“: Auf dem Weg zu einer sinnstiftenden Arbeitswelt

Nahostkonflikt: „Von Frieden kann noch lange nicht die Rede sein“

„Verbraucher können die Qualität von Lebensmitteln schlichtweg nicht erkennen“

Studium Generale: Tiefe Einblicke in die Denkweise der Amerikaner*innen

Klassik im Hörsaal: Besonders stimmungsvoller Abschluss des Studium Generale

Karriere wichtiger als Kinder: Studium Generale Vortrag über heimliche Hürden der Gleichstellung

Den Vernunftbegabten zuhören

Von Zukunftskunst und Herausforderungen: Uwe Schneidewind im Studium Generale

„Vergleich ist der Anfang vom Unglück: Was uns wirklich glücklich macht“

Aus dem Kopiergerät ist ein Innovations-Labor geworden

Studium Generale: Faszinierende Einblicke in die menschliche Psyche

Das Südwestdeutsche Kammerorchester Pforzheim verwandelte den Audimax der Hochschule Pforzheim beim „Campus Classic Concert“  in einen Konzertsaal

STUDIUM GENERALE endet mit einem „Paukenschlag“

Das Studium Generale Team posiert stolz vor einem vollen Hörsaal.

„Es ist kein Kopftuchprotest – es geht um das große Ganze“

Organisatorinnen der Studium Generale Veranstaltungsreihe stehen mit Redner und Rektor der Hochschule vor gefülltem Saal

„Diplomatie ist dafür da, auch in unmöglicher Situation das Gespräch zu suchen“

„Ohne Kommunikation ist alles nichts“

Der Referent Heiner Bielefeldt zusammen mit den Organisatorinnen des Studium Generale und dem Rektor der Hochschule.

Religionsfreiheit: Ein Menschenrecht, das verkannt wird?

Der Referent mit den Organisatorinnen

Pforzheim ist nicht nur Gold- sondern auch Recyclinghauptstadt

Der Referent mit den Organisatorinnen

Hass im Netz: Trotz Hetze ist das Glas halb voll

„Man muss nicht vertrauen. Sich verlassen auf etwas reicht völlig“

Von Sinfonien, die gar keine sind, bis zur ganz großen Sinfonia

Alle Facetten von Luxus

Sven Plöger im Studium Generale / Foto: Axel Grehl, HS PF

Sven Plöger zu Gast im Studium Generale an der Hochschule Pforzheim

Ernst Ulrich von Weizsäcker begeistert das Publikum im Studium Generale

Aufzeichnungen:

Historie des STUDIUM GENERALE

Seit 1985 lädt die Hochschule Pforzheim Studierende, Professoren, Mitarbeiter und interessierte Gäste aus der Stadt und der Region zu einem anspruchsvollen STUDIUM GENERALE-Programm ein. Die Referenten sind renommierte Wissenschaftler, Unternehmer, Politiker, Künstler und Menschen, die Außergewöhnliches geleistet haben. Hunderte von interessierten Zuhörern nutzen immer wieder die Chance zur Auseinandersetzung mit den unterschiedlichsten Themenfeldern, um ihren Horizont zu erweitern, Neues, Anregendes, manchmal auch Irritierendes zu erfahren und interessante Persönlichkeiten aus der Nähe zu erleben. Seit Oktober 2020 können alle Vorträge im Live-Stream über den YouTube-Kanal des STUDIUM GENERALE auch bequem von zu Hause aus oder von überall verfolgt und die Aufzeichnung noch etwa vier Wochen lang angeschaut werden. Sie alle sind herzlich eingeladen zum STUDIUM GENERALE an Ihrer Hochschule!

Die wissenschaftlichen Leiterinnen sind die Professorinnen Dr. Frauke Sander und Dr. Nadine Walter.

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