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Burn out: Unternehmensaufgabe oder Privatangelegenheit

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Spannend, aktuell und kontrovers – die Themenpalette der zweiten Fachtagung „Business meets Science“ an der Hochschule Pforzheim lockte rund 100 Personalverantwortliche aus dem Bundesgebiet auf den Campus. Ende Mai 2012 wurden auf Einladung des TDS Instituts für Personalforschung an der Hochschule Pforzheim und des PERSONALER FORUM der TDS HR Services & Solutions GmbH die Personalstrukturen mittelständischer Unternehmen sowie das „Megathema“ Burn out diskutiert. Das Erfolgskonzept der Fachtagung: Wissenschaft und Praxis stellen die Themen jeweils aus ihrer Perspektive dar.

Auf die geänderte Rolle des Personalmanagements ging Professor Stephan Fischer ein. Als aktiver Part in der Geschäftsführung, der die strategischen Prozesse mitdenken und steuern soll, verlange Personalmanagement heute nach einer anderen Struktur. In wie weit diese Veränderungen auch von kleineren, meist familiengeführten Unternehmen nachvollzogen werden könnten, diskutierten Fischer, Direktor des Pforzheimer Instituts für Personalmanagement, und Meike Querengässer, Personalleiterin Bürkert Fluid Control Systems. Mittelständische Unternehmen könnten in vielen Bereichen schnell und flexibel reagieren, die Aufgabenfelder seien abwechslungsreich und flach hierarchisch strukturiert. Standardisierte Prozesse, die vielfach die Grundlage für heute Personalmanagement-Modelle bildeten, fänden sich dagegen in diesen Unternehmen selten.

Mit Outsourcing und Kooperationen sowie der ständigen Überprüfung der geänderten Aufgabenfelder sahen sowohl der Wissenschaftler als auch die Praktikerin eine Möglichkeit „moderne Personalmanagementstrukturen“ auf mittelständische Unternehmen zu übertragen. „Strategisch relevante Themenfelder benötigen eine Verankerung in der Firmenstruktur“, stellte Querengässer klar. Die Personalleiterin des global agierenden Familienunternehmens skizzierte, dass das Unternehmen Bürkert die Struktur der Personalarbeit immer wieder verändere und anpasse.

Erweiterte Pupillen, starkes Schwitzen, Schlafstörungen – sichtbare Zeichen von Stress oder Überlastung kennen viele. Vier von fünf Krankheiten seien heute stressbedingt, stellte der Präventivmediziner Dr. Heinz Martens fest. Hörsturz, Herzinfarkt, Bluthochdruck, Magengeschwüre oder Depressionen – stressbedingte Krankheiten seien deutlich auf dem Vormarsch. Der finanzielle Schaden durch diese Krankheiten wird bundesweit auf 5 Milliarden Euro geschätzt. Der Verlust durch mangelnde Motivation müsse noch dazu gerechnet werden, so Martens. Die Zahlen bestätigte auch Dr. Anja Schmitz. Die Lehrbeauftragte an der Hochschule Pforzheim sieht in diesem Zusammenhang Gesellschaft und Unternehmen in der Pflicht.

Das vielfach geforderte Gesundheitsmanagement bietet den Firmen eine Möglichkeit, gegen das ständig wachsende Phänomen Burn out vorzugehen. Mit unterschwelligen Angeboten für Mitarbeiter, Schulungen für Führungskräften und einem engen Netzwerk von Kooperationspartnern arbeiten sowohl die Wieland Werke in Ulm als auch der Stromkonzern RWE. Mit diesem Ansatz bestätigten die beiden Referenten – Dr. Natascha Behrens, RWE, und Florian Schoof, Wieland Werke – die Untersuchungen von Dr. Schmitz.

Wie könnte ein sinnvolles Weiterbildungsprogramm für ältere Mitarbeiter aussehen, Leitbilder für mittelständische Unternehmen als Beratungsaufgabe, Einblicke in nachhaltige Personalpolitik sowie die Untersuchung von Veränderungsprozesse in diesem Bereich – vier Absolventen des Studiengangs Personalmanagements gaben den Teilnehmer der Fachtagung Einblicke in zukünftige Aufgabenfelder. Die hervorragenden Abschlussarbeiten von Jan Gonell, Sven Leiske, Valentin Brose und Vanessa Hirsch fanden große Anerkennung.

„Angeregte Diskussionen, aktuelle Forschung und jede Menge Tipps“, so das Fazit der Teilnehmer, die sich bereits nach einer Fortsetzung der Fachtagung im November 2012 erkundigten.

Agenda

09:30 Uhr Empfang
10:00 Uhr Begrüßung Prof. Dr. Martin Erhardt (Rektor, HS Pforzheim) und Thomas Eggert (Geschäftsführer, TDS HR Services & Solutions GmbH)
10:15 Uhr Moderne HR-Strukturen im Mittelstand Vorträge von Meike Querengässer (Personalleiterin, Firma Bürgert Fluid Control Systems) und Prof. Dr. Stephan Fischer (HS Pforzheim) mit anschließender Diskussion
12:00 Uhr Ausgezeichnete HR-Abschlussarbeiten 
13:00 Uhr Mittagspause
14:00 Uhr Burn Out Teil I Vorträge von Dr. Anja Schmitz (Lehrbeauftragte an der HS Pforzheim und der Universität Heidelberg) und Dr. Natascha Behrens (Gesundheitsmanagement, RWE Power AG) mit anschließender Diskussion
15:15 Uhr Burn Out Teil II Vorträge von Florian Schoof (Referent betriebliches Gesundheitsmanagement, Wieland Werke AG) und Dr. Heinz Martens (Inhaber, ONE Medical Coaching) mit anschließender Diskussion
Ab 16:15 Uhr Get Together

Moderne HR-Strukturen im Mittelstand

Wirtschaft: Meike Querengässer

In dem Vortrag moderne HR Strukturen im Mittelstand werden in einem Rückblick über knapp 10 Jahre verschiedene Entwicklungsstufen des HR Bereichs der Firma Bürkert Fluid Control Systems dargestellt sowie ein Ausblick in Richtung Entwicklungstrends in der Zukunft gegeben. Beleuchtet werden hierbei sowohl inhaltliche als auch strukturelle Entwicklungsstufen in einer global wachsenden Organisation. In den verschiedenen Themenfeldern wie z.B. Kompetenzaufbau, Rolle und Positionierung von HR werden Erfahrungen, Herausforderungen und Handlungsempfehlungen dargestellt. Ein kompakter Überblick – von der Personaladministration bis zur Gestaltung der Organisations- und Unternehmenskulturentwicklung

Wissenschaft: Prof. Dr. Stephan Fischer

Der wachsende ökonomische Druck macht auch vor HR Abteilungen nicht halt. So wird seit geraumer Zeit diskutiert, wie HR strukturiert sein soll, um diese Anforderung möglichst gut zu erfüllen. Dabei steht immer wieder das Service Delivery Modell (SDM) von Dave Ulrich im Fokus, das vor fast 15 Jahren publiziert und seitdem immer wiederweiter entwickelt wurde. In der Praxis lässt sich beobachten, dass viele größere Unternehmen ihre HR Abteilungen nach den Grundprinzipien dieses Modells strukturiert haben. Was aber machen Unternehmen aus dem Mittelstand, die schlicht nicht über die Quantität an Mitarbeitern verfügen, um ein solches Modell zu implementieren? Gibt es hier ein anderes Strukturmodell? Oder lassen sich einige Grundprinzipien von Ulrich anpassen und auf den Mittelstand übertragen, auch wenn dabei als Ergebnis nicht das SDM in Reinform entsteht? Gibt es Möglichkeiten, im Mittelstand Synergien in HR Funktionen zu erzeugen, indem es zu intelligenter Nutzung von Netzwerken kommt, um so HR Strukturen zu etablieren, die sonst alleine nicht möglich sind? Ziel des Vortrags ist es, diese aufgeworfenen Fragen auf Basis der einschlägigen Literatur zu beantworten und so einen Ausblick auf moderne HR Strukturen im Mittelstand zu geben.

Burn Out Teil I

Wissenschaft: Dr. phil. Anja Schmitz

Das Syndrom „Burnout“ ist ein mehrdimensionales Konstrukt, dessen Abgrenzung gegenüber anderen psychischen Krankheitsbildern noch immer kontrovers diskutiert wird. Ungeachtet dessen nahm die (Zusatz-)Diagnose „Burnout“ in den letzen Jahren kontinuierlich zu und führt zu erheblichen betrieblichen Konsequenzen. Der Vortrag stellt den aktuellen Stand der Forschung zu den persönlichen und organisationalen Prädiktoren von Burnout vor. Beleuchtet werden auf persönlicher Ebene z.B. der Zusammenhang mit Persönlichkeitsfaktoren, wie Gewissenhaftigkeit, emotionale Stabilität und Verträglichkeit. Auf organisationaler Ebene werden die bisher identifizierten Belastungsfaktoren beschrieben. Darüber hinaus werden die Entwicklungsstadien des Syndroms erläutert und die daraus resultierenden Ansatzpunkte für Diagnose und Intervention im betrieblichen Alltag. In diesem Zusammenhang werden auch verschiedene Instrumente genannt, mit denen die bisher erforschten Burnout-Facetten Depersonalisation (Entfremdung), Erschöpfung und reduzierte Leistungsfähigkeit, bzw. Ineffektivität diagnostiziert werden können.

Wirtschaft: Dr. med. Natascha Behrens

Burn out ist kein scharf definierter Begriff. Dennoch ist er zur Zeit in den Medien und in den Unternehmen sehr präsent, und das mit gutem Grund. Der Anteil psychischer Erkrankungen unter den Beschäftigten ist weiterhin am Ansteigen.
Wie gehe ich mit diesen Fakten im Unternehmen um? Welche Gründe kann es für diese Zahlen geben?
Was kann man systematisch in der Organisation verbessern, um Burn out- Fälle zu verhindern bzw. wie kann man standardisiert, aber dennoch individuell vorgehen? Welche Beispiele für „Best practice“ gibt es? Wie kann man aber auch als Vorgesetzter damit umgehen? Wie bemerke ich, wenn ich selbst kurz vor dem Ausgebranntsein stehe?
An die Beantwortung dieser Fragestellungen soll sich im Vortrag aus Sicht eines Großunternehmens, aber auch aus arbeitsmedizinischer und damit praxisnaher Sicht angenähert werden.

Burn Out Teil II

Wirtschaft: Florian Schopf

Psychisch stabil im Leben. Die Wieland-Werke AG hat seit 2007 unternehmensweit ein ganzheitliches betriebliches Gesundheitsmanagement „Wieland-in-Form“ implementiert. Schwerpunkte der Arbeit sind die Verhaltensprävention und Verhältnisprävention. Auch das Projekt „Psychische Gesundheit“ ist auf Basis dieser beiden Grundsätze ganzheitlich entwickelt worden. Das Konzept, das zusammen mit den Werksärzten und der Wieland BKK entwickelt worden ist, basiert auf vier Säulen: 1. Einer psychosomatischen Sprechstunde im Unternehmen in Kooperation mit der Universität Ulm, 2. umfassenden Führungskräftetrainings, 3. Angebote der Stressprävention auf Mitarbeiterebene und 4. einem bereichsbezogenen Interventionskonzept ebenfalls in Kooperation mit der Universität Ulm. Das Unternehmen ist davon überzeugt, dass durch eine schnelle und professionelle Vermittlung in Therapie, die umfassenden Trainings und Sensibilisierung der Führungskräfte und Mitarbeiter psychische Erkrankungen vermieden und frühzeitig erkannt werden können.

Medizin: Dr. med. Heinz Martens

Die Gesundheit und Leistungsfähigkeit jedes Einzelnen gewinnt einen immer höheren Stellenwert: Die angespannte Situation im Gesundheitswesen mit weitgreifenden Reformen, die immer höheren Anforderungen im Berufs- und Privatleben und eine steigende Lebenserwartung fordern zum Umdenken auf, sowohl für den Einzelnen, als auch für das Unternehmen. Die Vollkasko-Mentalität weicht einem Wunsch zu höherer Selbstverantwortung und engagiertem Einsatz für die eigene Gesundheit und Leistungskraft. Jeder Mitarbeiter will gesund, fit und in einer guten körperlichen Verfassung sein, um seine privaten und beruflichen Herausforderungen mit Spaß und Freude bewältigen zu können. Demgegenüber stehen Druck, Stressbelastungen und letztendlich die Gefahr, ins Burnout zu rutschen. Aber was ist eigentlich Stress genau? Wie lange wirkt Stress auf den Körper? Ist Stress messbar? 

Sie lernen unterschiedliche wissenschaftliche Verfahren kennen, mit denen man Stress quantifiziert und seine Wirkung auf die eigene Gesundheit abschätzen kann. Wer diese Zusammenhänge für sich selber versteht, kann das Prinzip der gesunden Führung erfolgreicher umsetzen. Im Rahmen des Vortrages wird eine Stressmessung live demonstriert.

Jede Führungskraft trägt viel Verantwortung für andere. Genauso trägt sie auch Verantwortung für sich selbst und Ihre eigene Gesundheit!

Moderne HR Strukturen im Mittelstand

Meike Querengässer ist seit 2003 bei der Firma Bürkert Fluid Control Systems tätig. Aktuell leitet Sie den Bereich Human Resources & Organization für die Bürkert Unternehmensgruppe. Zu Ihren Tätigkeitsschwerpunkten gehören die strategische Ausrichtung und weltweite Koordination der Bereiche HR Management, Projekt- und Prozessmanagement und damit die Gestaltung der Organisations- und Unternehmenskulturentwicklung.

Prof. Dr. Stephan Fischer lehrt an der Hochschule Pforzheim in den Studiengängen BWL/ Personal (BA),  HRM & Consulting (MBA) sowie an der Universität Heidelberg. Er bildet mit einigen Kollegen das Human Resources Competence Center. Als Direktor des Institut für Personalforschung im HRCC der HS Pforzheim forscht er im Bereich nachhaltiges HRM. Zudem ist er Aufsichtsrat der O&P Consult AG in Heidelberg. Vor seiner Tätigkeit in Pforzheim war er Gründer und Vorstand der O&P Consult AG sowie Verantwortlicher für das Personalmanagement und die Personal- und Organisationsentwicklung bei einem weltweit agierenden Unternehmen der Mess-, Steuer- und Regelungstechnik.

Burn Out Teil I

Dr. Anja Schmitz ist als Lehrbeauftragte an der Universität Heidelberg sowie der Hochschule Pforzheim tätig. Auf der Basis ihrer Forschungstätigkeit am Universitätsklinikum Heidelberg und am Lehrstuhl für Arbeits- und Organisationspsychologie der Universität Heidelberg führt sie in dieser Funktion aktuelle Trends aus Forschung und Praxis zu den Themen Personalentwicklung und -auswahl zusammen. Darüber hinaus berät sie für die O&P Consult AG Konzern- und Mittelstandskunden zu HRM-Themen. In diesen Beratungsaufträgen nahm die Sensibilisierung von Führungskräften für psychische Erkrankungen am Arbeitsplatz in den letzten Jahren kontinuierlich an Bedeutung zu.

Dr. med. Natascha Behrens arbeitet als Regionalleiterin bei RWE. Ihre Schwerpunkte liegen in der Organisation und Steuerung der Arbeitsmedizin und des Betrieblichen Gesundheitsmanagements in der Region Süd. Zusätzlich betreut sie als Betriebsärztin u.a. das Kernkraftwerk Biblis.
Frau Dr. Behrens ist seit mehr als zehn Jahren in der Arbeitsmedizin tätig, hauptsächlich in großen Industrieunternehmen. Ihr Interesse gilt besonders der strukturierten Einführung bzw. Durchführung eines Betrieblichen Gesundheitsmanagements in Zusammenarbeit mit allen Akteuren der Organisation.

Burn Out Teil II

Florian Schoof ist Diplom Sportwissenschaftler und MBA. Er arbeitet seit 2011 bei den Wieland-Werke AG in Ulm als Referent für das betriebliche Gesundheitsmanagement. Tätigkeitsschwerpunkte sind die kontinuierliche Verbesserung und Weiterentwicklung von Verhalten und Verhältnissen im Unternehmen unter gesundheitsfördernden Gesichtspunkten. Hierzu zählen, Projekte im Bereich der Ergonomie, Bewegungsförderung, Ernährung, Entspannung, des Betriebssports, Prävention, Vorsorge und psychischen Gesundheit aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei den Wieland-Werken. Florian Schoof ist 35 Jahre alt, verheiratet und Vater zweier Söhne.

Dr. Heinz Martens, Gründer und Leiter von ONE Medical, hat das Prinzip der medizinischen Gesundheitsscreenings und des Gesundheitscoaching im Rahmen seiner klinischen Tätigkeit an der Philips-Universität Marburg, seines 3-jährigen Forschungsaufenthaltes an der Harvard Medical School und während seiner 5-jährigen Zeit als medizinischer Direktor eines der größten europäischen Auftragsforschungsinstitute entwickelt. In seine Führungskräfte- und Mitarbeiter-Checkups fließen die Erfahrungen aus über 6.000 Gesundheitsuntersuchungen ein. Das Hamburger Institut für Präventivmedizin existiert seit zehn Jahren. Schwerpunkte sind die Messung von Gesundheitszuständen und die Erkennung und Prävention gesundheitlicher Potenziale und Risikofaktoren. Bekannt ist es für Stressmessungen und Burnout-Prophylaxe, betriebliches Gesundheitsmanagement, Gesundheitstage und das vom Bundesgesundheitsministerium unterstützte Hamburger Schulprojekt „Gesundheit Erleben.“ Zu seinen Kunden zählen DAX-Unternehmen, aber auch Mittelständler und kleine Unternehmen.

Zum Download der Präsentationen zur Veranstaltung vom Mai 2012 ging es hier.