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Atommüllendlagersuche in Deutschland – politische Einblicke

Atommüllendlagersuche in Deutschland – politische Einblicke

Am zweiten Termin der Ringvorlesung Ressourceneffizienz und Nachhaltigkeit im Wintersemester 2018/19 sprach Prof. Dr. Hendrik Lambrecht von der Hochschule Pforzheim über die Atommüllendlagersuche in Deutschland. Hendrik Lambrecht ist Bürgervertreter im Nationalen Begleitgremium für die Endlagersuche und ließ die Zuhörer im Rahmen des Vortrags an seinen Erfahrungen teilhaben (http://www.nationales-begleitgremium.de/DE/Home/home_node.html).

 

Endlagersuche in Deutschland – worum geht es? Nach der Nuklearkatastrophe in Fukushima im Jahr 2011 beschloss die Bundesregierung den Ausstieg aus der Kernenergie, daher sollen bis 2022 alle Atomkraftwerke in Deutschland vom Netz genommen werden. Mit der Kernenergie verbunden ist das Problem des anfallenden hochradioaktiven Atommülls, der für Millionen von Jahren – eine unvorstellbare Zeitdimension – sicher verwahrt werden muss.

Die Suche nach einem Endlager bzw. dem bestmöglichen Ort dafür ist sowohl eine technische als auch gesellschaftliche Herausforderung, bei der das Interesse der Allgemeinheit und Einzelinteressen zwangsläufig kollidieren.

Im Gegensatz zum Standort Gorleben, der Ende der 1970er Jahre von der damaligen Bundesregierung schlichtweg beschlossen wurde, soll das neue Endlager durch einen transparenten und partizipativen Auswahlprozess gefunden werden. Dadurch soll eine hohe Akzeptanz des Standorts erreicht werden.

 

Um den Zuhörern eine Grundlage für die Beurteilung der Gefährlichkeit hochradioaktiven Abfällen zu vermitteln, gab Herr Lambrecht zunächst einen kurzen Überblick zur Frage „Was ist Radioaktivität?“. Dabei wurde klar, dass Atommüll in Abhängigkeit von Art der Strahlung, deren Aktivität sowie Halbwertszeit in schwach-, mittel- und hochradioaktiv unterteilt wird. In Deutschland sind in den letzten 50 Jahren ca. 27.000 m³ hochradioaktive Abfälle angefallen, das entspricht 10 % der Gesamtmenge an radioaktiven Abfällen, diese 10 % stehen jedoch für 99,9 % der Aktivität.

Die Gefahr, die von Atommüll ausgeht, ist die ionisierende Strahlung. Für unsere Sinne nicht wahrnehmbar kann sie akut zu Strahlenkrankheit oder -tod oder langfristig zur Veränderung des Erbguts oder Krebs führen.

 

Für den Umgang mit radioaktivem Abfall wurden in der Vergangenheit verschiedene, teilweise utopisch anmutende Ansätze, wie z. B. die Verbringung in den Weltraum oder der Einschluss im Arktischen Eis, diskutiert. Weltweit hat sich jedoch die Einlagerung in tiefe geologische Formationen durchgesetzt. Die Gesteinsbarrieren sollen dabei neben schützenden Behältern eine Migration der radioaktiven Substanzen verhindern.

Das Verfahren zur Standortsuche sowie die zu erfüllenden Rahmenbedingungen sind im Standortauswahlgesetz festgelegt. Herr Lambrecht erklärte, dass die Suche mit einer „weißen“ Landkarte begonnen hat, in der zurzeit durch Auswertung von Millionen geologischer Datensätze mögliche Standorte eingegrenzt werden. Mögliche Wirtsgesteine in Deutschland sind hierbei Salz, Granit und Ton, die alle über spezifische Vor- und Nachteile verfügen. Als Standort ausgeschlossen werden Gebiete mit seismischen Aktivitäten, ehemalige Bergbaugebiete und Gebirgsformationen mit jungem Grundwasservorkommen. Standorte, die in die engere Auswahl kommen, werden in den folgenden Phasen der Endlagersuche zunächst übertage und später untertage erkundet, um sukzessive immer spezifischere Informationen über den potenziellen Endlagerstandort zu ermitteln.

 

Aus den Erfahrungen bürgerkriegsähnlicher Zustände bei Demonstrationen rund um Atommülltransporte und kerntechnische Anlagen hat man den Schluss gezogen, dass bei der laufenden Standortsuche die Öffentlichkeit dieses Mal stärker beteiligt werden muss. Aus diesem Grund wurde das Nationale Begleitgremium, dem auch Herr Lambrecht angehört, ins Leben gerufen. Das Gremium besteht aus Bürgern, die die Kategorien „Mann“, „Frau“ und „Junge Generation“ repräsentieren, sowie angesehenen öffentlichen Persönlichkeiten. Für die Auswahl der Bürger wurden deutschlandweit 70.000 Zufallstelefonate geführt, Bürgerforen einberufen und schließlich in einem mehrstufigen Verfahren sechs Vertreter gewählt. Herr Lambrecht betonte, dass es sich beim Begleitgremium keineswegs um einen Selbstläufer handelt, sondern eine angemessene Beteiligung der Öffentlichkeit eine herausfordernde Aufgabe ist, die großen Einsatz von den Mitgliedern verlangt. Das Begleitgremium organisiert u. a. Workshops zu aktuellen Themen der Standortsuche in verschiedenen Städten, um eine möglichst breite Öffentlichkeit zu erreichen. Es soll so vermieden werden, dass die Leute erst aufwachen, wenn sie betroffen sind und es zu spät ist. Die Bevölkerung soll bereits sehr viel früher am Prozess beteiligt werden. So geht es in erster Linie um Beteiligung und nicht um einstimmige Akzeptanz.

 

Zum Schluss fasste Herr Lambrecht seine Gedanken zum Vorhaben zusammen. So sieht er in der Endlagersuche und der Einlagerung des Atommülls eines der größten wissenschaftlichen und technischen Vorhaben unserer Zeit sowie die Antwort auf eines der größten Umweltprobleme in Deutschland. Das Nationale Begleitgremium bezeichnete er als ein hochspannendes, politisches „Experiment“ mit dem Ziel eine tragfähige Lösung für eine sehr umstrittene und komplexe gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu finden.