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Kunst trifft Mode

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Kooperation zwischen Kunsthalle Karlsruhe und Hochschule Pforzheim

Isabelle Dingler zeigt die Mapping Boards, die den Gestaltungsprozess dokumentieren. (Foto: Kunsthalle Karlsruhe)

Mode im Museum: Zu den längsten Fashion Weeks der Welt lädt die Junge Kunsthalle Karlsruhe ab diesem Wochenende ein. Die dort neu gezeigte Ausstellung „K & M – Kunst und Mode“ ist in Kooperation mit dem Studiengang Mode der Hochschule Pforzheim entstanden. Die Schau versammelt Gemälde der Sammlung und präsentiert diese in Verbindung mit Entwürfen der angehenden Designer. Zur Eröffnung am Samstag, den 6. April 2019 um 15 Uhr, zeigen die Studierenden eine Mode-Performance.

Wer das Zukünftige anvisiert, muss in der Vergangenheit blättern: die Historie als Sprungbrett in und für die Zukunft?! Fünf Gemälde aus der Sammlung der Kunsthalle Karlsruhe aus dem 19. und dem Beginn des 20. Jahrhunderts waren Grundlage für die Kollektionen. 13 Mode-Studierende aus dem dritten Semester arbeiteten über rund drei Monate an den Kollektionen. Sie recherchierten die Kreativansätze von historischen Details und Volumina verschiedenster Art, von Gestaltungsprinzipien sowie die Methoden der Anwendung, Umsetzung und Weiterentwicklung. So sind Kollektionen entstanden, in denen die historischen Bezüge explizit zum Ausdruck kommen, ohne ins „Kostümdesign“ zu münden.

Das Gemälde des Tiermalers Johann Rudolph Kuntz und Marie Ellenrieder mit dem Titel „Bildnis des Generals Krieg von Hochfelden und seiner Gemahlin zu Pferde“ von 1832 nutzte Design-Studentin Isabelle Dingler für ihre zwei Outfits. „Renewed Riding Habit“ nennt sie ihre Arbeit, eine Erneuerung der Reiterbekleidung des 19. Jahrhunderts. „Für mich stellt die Reiterin auf dem Gemälde revolutionäre Fragen: Wie komme ich hier raus? Wie kann ich mich von meinen Pflichten lösen und dieser Gesellschaft entfliehen?“, erklärt die Studentin. Sie verspürt den Drang der Reiterin, in die Weite der Natur auszubrechen zu wollen und alles hinter sich zu lassen. Ihr Outfit dafür: ein Body aus Jersey, darüber ein roter, Regen abweisender Soft-Shell-Rock und dazu eine Lederjacke mit Keulenärmeln, einer historischen Reminiszenz. In diesem Outfit hat die Reiterin die Zügel in der Hand, ganz wörtlich genommen.

Albert Langs Mädchenbildnis von 1891 floss als Grundlage in die Konzeption von Studentin Aurélie Harazim. „Die Schmetterlings-Brosche, die das Mädchen trägt, ist zentral für mein Outfit. Die Brosche steht für ein flatterhaftes Moment und für Bewegung in der sonst so statischen Haltung des Mädchens“, sagt die 24-Jährige. Die Flattrigkeit stellt die angehende Designerin mit Lametta dar. Ihr Kleid ziert ein abstrahierter Schmetterling, den sie in Silikon abgoss. Ein winziges Detail auf dem Bild ist es, das die Studentin Julia Schulze aufnahm: Eine Locke, die sich im Nacken des Mädchens aus der Frisur löste. „Sie scheint perfekt sein zu wollen – sie ist es aber nicht. Ich zeige deshalb das emotionale, vielseitige Innenleben dieser Frau und habe dafür verschiedenen Handarbeitstechniken wie Weben und Stricken genutzt. Sie stehen für eine ungleiche und buntere Oberfläche, die das Verborgene zeigt.“

Isabelle Dingler (l.) und Aurélie Harazim erläutern die Kollektionen, die sie im Rahmen von „K & M – Kunst und Mode“ in Karlsruhe ausstellen. (Foto Kunsthalle Karlsruhe)

„Referenzielles Arbeiten, Bezüge herzustellen, ist in der Mode immer ein Thema“, sagt die Pforzheimer Professorin Sibylle Klose, die das Projekt begleitete. Im Arbeitsprozess ging es um Wechselwirkungen und Gemeinsamkeiten in den Kunstwerken. Die Gemälde fusionierten, denn sowohl die Reiterin als auch das Mädchen von Lang proben in der Interpretation der Designer den Aufstand. Die Bilder der Kunstgeschichte spiegeln die Wechsel der Mode, ebenso wie sie immer wieder auch Inspiration für modische Schöpfungen waren. Die Beziehung von Kunst und Mode ist ein spannendes Kapitel der Kulturgeschichte – gerade in der Gegenwart, in der die Sphären durchlässig geworden sind.

Die Ausstellung bietet einen vielfältigen Zugang: Ärmel und Kragen werden ebenso thematisiert wie die verschiedenen Stoffe und Materialien oder auch die Geschichten, die Kleidung erzählen. Die Präsentation von „Mapping Boards", auf denen die Studierenden erste Skizzen und Materialproben zu den Werken sammelten, lassen die kreativen Entstehungsprozesse der Modeschöpfungen nachvollziehen. Die Collagen legen die Bezüge zu den Kunstwerken offen und veranschaulichen die verschiedenen Elemente des Modedesigns von der ästhetischen Gestaltung von Formen und Farben bis hin zur praktischen Umsetzung und funktionalen Beschaffenheit der Kleidungsstücke. Neben den Mode-Kollektionen zeigt die Ausstellungen auch Werke, die im interdisziplinären Kunstprojekt mit Silke Helmerdig, Pforzheimer Professorin für Fotografie, entstanden sind. Bildcollagen und einen Installation zum klassischen Binder, der Krawatte.

Die Besucher können sich von den Gemälden und Modellen zu eigenen Kreationen anregen lassen. Die Aktionsräume im Obergeschoss der Jungen Kunsthalle laden dazu ein, eigene Outfits aus unterschiedlichsten Materialien zu entwerfen, anzufertigen und auf dem Laufsteg vorzuführen. Aber auch Anziehpuppen, Modejournale, Harnische und viele modische Accessoires können gestaltet werden. Die eigenen Arbeiten geben nicht zuletzt Anlass, einen kritischen Blick auf das schnelllebige Phänomen Mode zu werfen und beispielsweise mit Upcycling und anderen kreativen Aktionen einen umweltbewussten Umgang mit Kleidung entgegenzusetzen.