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Auf einen Kaffee mit Prof. Dr. Torben Kuhlenkasper

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Es ist früh am Mittwoch, als Prof. Dr. Torben Kuhlenkasper auf einen Plausch bei uns reinschaut. Er ist der erste unserer Professoren, der gerne Espresso trinkt.

Julia Budei: Herzlich Willkommen hier bei uns so früh am Morgen!

Torben Kuhlenkasper: Bin ich immer hier.

Budei: Hier an der Hochschule?

Kuhlenkasper: Tatsächlich um sieben Uhr. Ich arbeite lieber morgens als abends. Ich hatte einmal eine Übung von 19 bis 20:30 Uhr im Audimax. Das ist nichts für die Studierenden und auch nichts für mich. Das brauche ich nicht nochmal.

Budei: Das glaube ich. Damit sind wir schon direkt bei der ersten Frage: Wie sieht denn ein typischer Arbeitstag bei Dir aus?

Kuhlenkasper: Kommt drauf an wo er ist. Es gibt zwei Arten von Arbeitstagen: Hier oder zu Hause. Hier fängt er früh an und endet dann hoffentlich auch pünktlich (lacht). Nein, er fängt hier früh an und hier beschäftige ich mich nur mit Lehre. Es müssen Vorlesungen vorbereitet werden. Dienstags habe ich 8 SWS Vorlesung und Kolloquium – wo immer viele sind – das muss einfach irgendwie organisiert werden. Da mache ich auch nicht viel anderes. Da beantworte ich mal ein paar E-Mails, die schnell zu beantworten sind, ansonsten konzentriere ich mich nur auf meine Vorlesungen. Wenn ich dann gegen Ende der Woche zu Hause bin, dann sieht so ein Arbeitstag anders aus. Dann kann man eher in Richtung langfristige Projekte denken: Was muss ich für mein Buch noch machen, welche Forschungsarbeiten kann man zu Ende bringen? Da hat man vielleicht auch mal ein zwei, drei Stunden Zeit, sich auf eine Sache zu konzentrieren und das habe ich hier einfach nicht. Deshalb ist das auch ein bisschen getrennt. Wobei ich auch möchte, dass das getrennt ist. Von daher ist der Arbeitstag hier straff durchorganisiert. Zu Hause gibt es keine feste Organisation. Da kommt es darauf an, was bei der Familie so ansteht und das sehe ich immer erst, wenn ich zu Hause bin.

Budei: Wenn man die Hälfte der Woche zu Hause arbeitet, nutzt man dann auch das Wochenende?

Kuhlenkasper: Ja, wenn ich es muss bzw. will. Ich versuche es so zu nutzen, dass die Familie nicht darunter leidet. Donnerstag und Freitag sind Abreitstage, meist vormittags, weil die Kinder in der Schule oder im Kindergarten sind. Zum Glück brauchte ich bisher nie das Wochenende, um die Vorlesung vorzubereiten. Jetzt habe ich zwei Bücher fertig geschrieben. Da braucht man mal drei bis vier Stunden am Stück und muss es deshalb am Wochenende machen.  Jetzt im Winter was das nicht so schlimm, denn wenn das Wetter furchtbar ist, sitzt man eben auch mal am Schreibtisch. Ich bin aber froh, dass das jetzt fertig ist. Ich versuche, am Wochenende nicht so viel zu machen, denn das ist für die Familie unfair, nach dem Motto: Anfang der Woche ist er nicht da, den anderen Teil der Woche ist er da, aber wir sehen ihn nicht, weil er im Büro sitzt.

Budei: Wie sieht denn ein typisches Wochenende ohne Arbeit aus?

Kuhlenkasper: So ganz ohne Arbeit ist es nie. Sonntags beantworte ich meist schon ein paar Mails von Kollegen. Ein ganz typisches Wochenende gibt es nicht. Mit drei Kindern zu Hause und je nachdem was die Familie so will… Das plane ich vorher auch nicht. Das lasse ich so auf mich zukommen, das wird schon irgendwie klappen.

Budei: Mit drei Kindern ist das auch schwierig.

Kuhlenkasper: Vor allem drei Kinder von 8, 4 und 0 ist die Spannbreite auch relativ groß. Da kann man noch so viel planen, da kommt es erstens anders und zweitens als man denkt (lacht).

Budei: Ja tatsächlich drei sehr unterschiedliche Interessensgruppen. Wie ist es denn mit Urlaub?

Kuhlenkasper: Urlaub ist Urlaub. Wichtig ist, dass ich da alles mit den Klausuren fertig habe. Und das sind ganz schön viele. Bei uns gibt es, im Grunde genommen, nur einen Jahresurlaub. Der hängt von den Schulferien ab und von der Vorlesungszeit. Wir sind in einem anderen Bundesland in Norddeutschland. Ich habe im Urlaub auch den Laptop mit, falls mal was ganz dringend ist

Budei: Reist Du denn gerne?

Kuhlenkasper: Nein. Weil ich jede Woche hierher so weit reisen muss.

Budei: Das heißt, ein schöner Urlaub ist dann einfach mal zu Hause sein?

Kuhlenkasper: Nö, nicht unbedingt. Sagen wir mal so: Ich muss nicht unbedingt eine Fernreise machen, nur um der Fernreise willen. Nur um andere Leute und andere Länder kennenzulernen. Das brauche ich nicht. Ich reise gerne dahin, wo es meinen Kindern gut geht. Wenn es den Kindern im Urlaub nicht gut geht und sie sich nicht wohl fühlen, dann ist es einfach eine Stressverlagerung an einen anderen Ort. Und dafür brauche ich nicht in den Urlaub. Daher machen wir viel Urlaub dort, wo man mit dem Auto hinfahren kann. Das beschränkt sich dann auf Deutschland und Dänemark.

Budei: Gibt es dann auch kein Land, das Du unbedingt mal sehen willst?

Kuhlenkasper: Nein. Ich habe als Schüler ein Jahr in den USA gelebt, von 16 bis 17. Das war wunderbar. Allerdings interessiert es mich tatsächlich mehr, was es kulinarisch so gibt. Also nicht das Land des Landes willen. Eher, was es dort gibt und ob ich das zu Hause nachkochen kann. Aber soweit habe ich meine Kinder noch nicht. Das dauert wahrscheinlich noch gut 20 Jahre.

Budei: Interessiert Dich eine bestimmte Richtung in der Kulinarik?

Kuhlenkasper: Ich würde gerne mal in die Toskana fahren, sowohl in Restaurants als auch in einem alten Hinterhof in eine gute Mama-Küche. Frankreich müsste man auch mal gesehen haben, aber auch Deutschland. In der Pfalz gibt es sicherlich Sachen, die mich wahnsinnig interessieren würden. Ich würde auch gerne mal nach Kopenhagen ins „noma“, dieses ausgezeichnete Restaurant, die eine ganz andere Art der Küche haben. Aber soweit habe ich meine Familie noch nicht (lacht).

Budei: Das wäre doch ein Wunsch für den nächsten, runden Geburtstag! Du hattest eben gemeint, dass Du in letzter Zeit relativ viel an Büchern geschrieben hast. Liest man da selbst noch?

Kuhlenkasper: Inzwischen nicht mehr. Ich habe für die beiden Bücher viel gelesen. Jetzt muss man dazu sagen, das erste Buch ist eine Drittauflage, bei der ich jetzt erst reingekommen bin, weil der andere Co-Autor verstorben ist. Das zweite Buch ist eine Erstauflage, auch von ihm. Allerdings war es unveröffentlicht und nur als Skript vorhanden, weshalb man sich sehr gut damit auseinandersetzen muss. Ich habe seither auch kein Fachbuch mehr angepackt, muss ich ganz ehrlich sagen. Das erste Fachbuch, das ich mir wieder angeschaut habe, ist eines für das Modul „Business Analytics“. Ansonsten kann ich einfach keine mehr sehen und ich kann auch meine Bücher nicht mehr sehen.

Budei: Also auch keine Romane und – ich nenne es mal – Vergnügungsliteratur?

Kuhlenkasper: Ich habe drei Töchter, so viel Zeit zum Lesen bleibt da nicht.

Budei: Bis auf Kinderbücher…

Kuhlenkasper: Momentan bin ich froh, wenn ich die Tageszeitung schaffe. Da koche ich tatsächlich lieber, als dass ich mich in die Ecke setze und ein Buch lese. Es gibt dann auch immer das ehrliche Feedback der Kinder, das kann dann schon mal frustrieren (lacht). Kinder sind gnadenlos ehrlich. Es gibt keine versteckte Freundlichkeit oder süffisantes überlächeln, wie man es im Berufsleben kennt. Das ist ganz schön – oder kann ganz schön sein. Aber wenn man die Kinder mit einbindet – also Nudelteig selber drehen – dann schmecken auf einmal auch mal Sachen, die vorher nicht geschmeckt haben. Das ist dann ein Lerneffekt, bei dem man sich mit einem sarkastischen Kommentar auch mal zurückhalten muss.

Budei: Wie warst Du denn als Kind?

Kuhlenkasper: Furchtbar. Also ich war Einzelkind und notorisch ungeduldig. Ich bin auch relativ spät zur Schule gekommen. Damals war diese Einschulungsgeschichte auch noch anders wie heute. Und ich hatte auch nie eine klare Vorstellung davon, wo es beruflich hingehen sollte. Dazu muss man wissen, dass meine Eltern selbstständig waren im Einzelhandel. Und da ist man einfach eine andere Taktung gewöhnt. Da ist der Samstag ein wichtiger Tag und der Samstag ist ja sonst für die Familien ein wichtiger Tag mit Einkaufen und so und das kannte ich nie. Der Rhythmus in der Woche war bei uns ganz anders. Von daher war ich – glaube ich – als Kind nicht ganz leicht, obwohl ich eine tolle Kindheit hatte und mir nichts fehlte. Als Jugendlicher habe ich es wieder ganz gut auf Kette bekommen. Ein Bruder oder eine Schwester hätten mir wahrscheinlich schon gut getan, hatte ich aber nicht. Von daher war es wahrscheinlich ganz gut, dass ich meine Frau recht früh kennen gelernt habe.

Budei: Was heißt früh?

Kuhlenkasper: Mit 16. Noch im alten Jahrtausend, 1997! Und dann sogar mit einem Jahr geografischer Trennung – wichtig, nur geografisch – weil ich nach einem halben Jahr in die USA gegangen bin. Und das hat tatsächlich gehalten. Ich musste dann bei meiner kirchlichen Trauung 2006 von der Pastorin hören, dass mein Schwiegervater uns das nicht zugetraut hat. Da fühlte ich mich dann doch bestätigt. Ich habe mit meiner Frau auch Abitur gemacht, der ganze Freundeskreis besteht heute noch. Dann kam Bundeswehr und Studium und das schweißt weiterhin zusammen.

Budei: Glückwunsch! Ich kenne kaum eine Beziehung, die so viele verschiedene Wechsel in der Lebenssituation mitgemacht hat!

Kuhlenkasper: So viele Wechsel waren es eigentlich gar nicht. Wir haben viel zusammen gemacht: Wir haben an der gleichen Uni studiert, aber etwas Unterschiedliches und es ist einfach irgendwie gewachsen. Ich mag das nicht, wenn man alles plant. Auch das mit den Kindern. Wenn mir jemand vor zehn Jahren gesagt hätte: „Du wirst drei Kinder haben“ hätte ich gesagt „du hast nen Knall“, aber das hat so gepasst. Wenn mir – oder auch meinen Eltern – jemand damals als Kind gesagt hätte „Du wirst Professor für Mathematik Statistik und Ökonometrie“, dann hätten sie auch gedacht „was soll das? Das kann nicht sein“. Ist aber halt so gekommen und ich vermisse nichts.

Budei: Sehr schön! Wann war denn klar, dass Du in die Richtung gehen möchtest?

Kuhlenkasper: Spät. Ich hab auch angefangen zu studieren, ohne zu wissen, was genau ich studieren möchte. So nach dem Motto: Irgendwas mit Wirtschaft wirst Du schon machen. Ich habe mich dann einfach eingeschrieben.

Budei: Der Klassiker!

Kuhlenkasper: Es gab aber tatsächlich zwei Zeitpunkte, zweimal den Aha-Effekt, bei denen ich wusste, in welche Richtung es gehen wird. Zuvor hatte ich das Glück im Studium, drei Dozenten zu haben die eine wirklich herausragende Lehre im Bereich Mathematik und Statistik gemacht haben. Wenn die das so nicht gemacht hätten, würde ich jetzt nicht hier sitzen. Und dann gab es zwei Ereignisse, die mir gesagt haben, wohin es geht. Das eine war der 24. Januar 2011 um 17:28 Uhr. Da saß ich in einem völlig unsinnigen und geldverschwenderischen Meeting in Amsterdam am Flughafen. Es war ein furchtbares Meeting in einem fensterlosen Raum und ich hatte überhaupt keine Lust mehr irgendwas zu machen und musste abends noch mit dem Mietwagen wieder nach Hause. Um 17:28 an diesem Montag kam eine Mail ohne Betreff von meinem Doktorvater. In der Mail stand dann nur „zur Info“ und angehängt war ein PDF mit dem Titel „Gutachten_Kuhlenkasper.pdf“ Ich hatte meine Doktorarbeit, die ich sehr frei geschrieben hatte, zuvor abgegeben und in diesem Moment hatte ich überhaupt kein Gefühl und habe mir wirklich das schlimmste ausgemalt. Mir war in diesem Moment klar, wenn ich diese Datei öffne, hängt wahnsinnig viel davon ab, was in dem Gutachten steht. Dann hab ich sie geöffnet und habe gesehen, dass es nur drei Seiten waren. Da fragt man sich immer: Ist das gut oder schlecht? Und man geht immer davon aus, dass es schlecht ist (lacht). Ich bin dann aber recht schnell mit dem Finger nach unten gescrollt und da stand dann tatsächlich die Bestnote und viel Lob am Ende. In dem Moment war mir das Meeting auch egal. Da wusste ich auch, dass ich in der wissenschaftlichen Richtung bleiben möchte.

Budei: Und wann war das zweite Ereignis?

Kuhlenkasper: Das zweite Ereignis war dann die nächste Stufe, der 25. Oktober 2011 um 11:05 Uhr. An diesem Tag kam der Anruf von Prof. Dr. Horst Entorf, Professor für Ökonometrie und Statistik an der Goethe Universität Frankfurt. Am Tag zuvor hatte ich bei der Berufungskommission für eine Juniorprofessur vorgesprochen. Ich hatte schon rausgehört, dass es unglaublich viele Bewerber auf die Stelle gab. Horst Entorf rief dann am anderen Morgen um kurz nach elf an und meinte, sie hätten sich für mich entschieden. In dem Moment war mir sofort klar, dass ich nie wieder was anderes machen möchte, als eine Professur und dann kam auch eine wunderbare Zeit in Frankfurt. Die beiden Events haben – sehr spät, es war erst 2011– eigentlich erst die Richtung gewiesen.

Budei: Aufgrund dieser Erfahrung: Was würdest Du Deinen Studierenden denn gerne mitgeben wollen.

Kuhlenkasper: Neugierig bleiben. Ich hab so ein bisschen das Problem, und das betrifft – auch wenn ich dafür vielleicht Prügel kassiere – Kollegen gleichermaßen wie Studierende: Wir laufen Gefahr hier sehr angepasst, sehr „mainstreamig“ zu werden und alles linear zu planen: Erster Studienabschnitt, dann Praxissemester, dann Bachelorarbeit im Unternehmen, dann gibt’s da gleich den Job und so weiter. Das mag schön sein, ist aber auch nicht spannend. Ich fände es schön, wenn wir mal einen Studenten hätten, der sagt: „Ich konnte an der Vorlesung nicht teilnehmen, ich habe auf den Galapagos-Inseln eine Schildkrötenart vorm Aussterben gerettet“. Das fände ich zehn Mal spannender als wenn einer das achte Praktikum bei Porsche oder Daimler gemacht hat. Nicht falsch verstehen, das gehört hier mit dazu. Und die Studierenden sollten mehr auf das vertrauen, wann sie gelernt haben. Die Studenten machen häufig den Fehler, dass sie unmittelbar gucken, was sie gelernt haben und wo sie genau das brauchen. Das ist erstmal nicht wichtig. Es geht im Unternehmen später nicht darum, eine Formel aus der Tasche zu ziehen und zu sagen, damit rechne ich das jetzt aus. Sondern es geht darum, dass man sich auf neue Dinge einlässt, die unbekannt sind. Wir sind nun mal in den quantitativen Methoden etwas abstrakter als in anderen Fächern. Die Studenten sollen keine Angst haben. Wenn man die Hintergründe versteht, kommt man mit analytischem Denken sehr weit und man muss gar nicht alles planen. Das wird nur langweilig. Oder es wirkt frustrierend, weil es eben nicht so geklappt hat. Mein ganzes Leben lief sowas von nicht-linear. Das passt dazu, dass mein Forschungsschwerpunkt nicht-lineare Regression ist. Also: Nicht zu viel planen, auch mal fünfe grade sein lassen und schauen was sich noch so entwickelt. Immer schön gelassen bleiben!

 

Prof. Dr. Torben Kuhlenkasper lehrt im Weiterbildungsprogramm das Modul „Business Analytics“ und findet die Galapagos-Schildkröte manchmal interessanter als Porsche und Daimler.