„Wo kein Dialog stattfindet, stirbt Demokratie“

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Düzen Tekkal über gesellschaftliche Spaltung und Verantwortung
Die beiden Organisatorinnen des Studium Generale Prof. Dr. Nadine Walter (links) und Prof. Dr. Frauke Sander gemeinsam mit Düzen Tekkal (Mitte).

Die beiden Organisatorinnen des Studium Generale Prof. Dr. Nadine Walter (links) und Prof. Dr. Frauke Sander gemeinsam mit Düzen Tekkal (Mitte). Alle Fotos: Cornelia Kamper / Hochschule Pforzheim

Wie fragil demokratische Diskurse geworden sind, machte die Menschenrechtsaktivistin, Journalistin und Autorin Düzen Tekkal am Mittwochabend an der Hochschule Pforzheim deutlich. In einem voll besetzten Audimax sprach sie im Rahmen des Studium Generale über gesellschaftliche Spaltung, Informationskriege und den Verlust von Vertrauen – und darüber, warum Demokratie nur dort bestehen kann, wo der Dialog nicht abreißt.
 

„Demokratie ist dann unter Druck, wo nicht mehr gesprochen wird. Wo kein Dialog stattfindet, stirbt Demokratie“, sagte Tekkal gleich zu Beginn ihres Vortrags. In einer Zeit, in der regionale Krisen längst weltweite Realitäten prägen, beobachte sie, wie aus Meinungsverschiedenheiten Feindschaften entstehen. „Wann ist es passiert, dass Menschen aus der eigenen Gesellschaft zu Gegnern werden?“, fragte sie in den Raum.
 

Sie warnte vor den „bösen Zwillingen“ des rechten und religiösen Extremismus – die beide von Mechanismen profitieren, indem sie Menschen gegeneinander aufbringen und Entmenschlichung fördern. „Jeder Völkermord, Genozid, Krieg kommt mit der Entstehung von Feindbildern daher“, so Tekkal. Die zunehmende „Homogenisierung von Weltbildern“ bezeichnete sie als Folge gesellschaftlicher Überforderung. In sozialen Medien werde der Austausch durch Selbstbestätigung ersetzt: „Es geht nur noch darum, die eigene Meinung zu bestätigen, statt sich auszutauschen.“ Die Dynamik, dass jeder mit seiner eigenen Echokammer beschäftigt sei, bedrohe die Grundlage demokratischer Kultur umso mehr – selbst das Miteinander im Streit, so die Menschenrechtsaktivistin, sei eine wichtige Kontaktstelle.

 

Vertrauen als zentrale Ressource der Demokratie

Zentral sei die Frage nach dem Vertrauen: „Wie können wir es wiederherstellen? Wir verlieren gerade ganz viele, auch junge Menschen.“ Tekkal kritisierte dabei auch die Politik: Die Sorgen und Probleme vieler Menschen würden nicht ernst genommen, einfache Antworten und Feindbilder würden bevorzugt, und so entstehe ein Klima, das Polarisierung und Entmenschlichung begünstigt. Außerdem sei es notwendig, die Straffreiheit im Internet zu bekämpfen – Hatespeech werde zu wenig verfolgt, was das gesellschaftliche Klima weiter verschärfe. Es reiche nicht, andere zu verurteilen oder Sündenböcke zu suchen – entscheidend sei, Lösungen zu erarbeiten und das Gespräch nicht den Lautesten zu überlassen. „Wenn wir den Diskurs aus Bequemlichkeit oder Angst anderen überlassen, ist das der Anfang vom Ende“, mahnte sie. Für Extremisten wäre die Pauschalisierung das mächtigste Mittel. Die AfD profitiere davon, dass sich die Gesellschaft gegenseitig „die Köpfe einschlägt“. 
 

Ihr Appell an die Zuhörenden war eindeutig: Aktivismus beginne nicht nur online, sondern im echten Leben – im offenen Gespräch, im Widerspruch, in der Bereitschaft, Komplexität auszuhalten. Junge Menschen stünden heute vor der schwierigen Aufgabe, „auf der richtigen Seite zu stehen, ohne selbst zu entmenschlichen“. Wie wenig Empathie derzeit sichtbar sei, zeige, „in welchem Klima wir uns aktuell befinden“.
 

Besonders deutlich wurde dies auch in der anschließenden Diskussion: Tekkal hatte bewusst viel Zeit eingeplant, um Fragen und Meinungen aus dem Publikum Raum zu geben. Studierende, Schüler*innen und Bürger*innen diskutierten engagiert über ihre persönlichen Erfahrungen mit gesellschaftlicher Spaltung – von der Gleichsetzung von Islamismus mit Extremismus bis hin zur Frage, wie sich Gräben an Schulen wieder schließen lassen. So wurde deutlich, dass Austausch, selbst über Differenzen hinweg, möglich ist – wenn der Rahmen stimmt.

Düzen Tekkal während ihres Vortrags an der Hochschule PforzheimMit eindringlichen Worten warnte Düzen Tekkal in ihrem Vortrag an der Hochschule Pforzheim vor den Gefahren extremistischer Denkmuster für unsere Demokratie
Düzen Tekkal im Gespräch mit einer Gruppe Schüler*innenDer Austausch mit dem Publikum dauerte noch lange über den Vortrag hinaus – Düzen Tekkal im Gespräch mit einer Schülergruppe nach der Veranstaltung.