Warum Intelligenz nicht alles ist – aber vieles leichter macht

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Elsbeth Stern im Studium Generale: Bildung als Schlüssel zur Nutzung kognitiver Potenziale
stehen nebeneinander im Audimax und lächeln: Die Professorinnen Dr. Frauke Sander, Dr. Elsbeth Stern und Dr. Nadine Walter freuten sich über das große Interesse am Thema Intelligenz.

(v.l.n.r.) Die Professorinnen Dr. Frauke Sander, Dr. Elsbeth Stern und Dr. Nadine Walter freuten sich über das große Interesse am Thema Intelligenz. Cornelia Kamper / HS PF.

Was ist Intelligenz – und welche Rolle spielt sie für unser Lernen und Leben? In ihrem Vortrag im Rahmen des Studium Generale an der Hochschule Pforzheim ging Professorin Dr. Elsbeth Stern diesen Fragen auf den Grund. Die renommierte Bildungsforscherin für Lehr- und Lernforschung von der ETH Zürich spannte im voll besetzten Audimax einen Bogen von grundlegenden Definitionen bis hin zu aktuellen Erkenntnissen der Intelligenzforschung – fundiert, verständlich und mit erfrischender Klarheit. 

Intelligenz, so Stern, ist ungleich verteilt – folgt dabei aber einer statistischen Regelmäßigkeit: der sogenannten Glockenkurve. Rund 70 Prozent der Menschen gelten als durchschnittlich intelligent, jeweils etwa 15 Prozent liegen darunter oder darüber. Dass Intelligenz sowohl durch genetische Anlagen als auch durch Umwelteinflüsse geprägt ist, ist wissenschaftlich gut belegt. Stern sprach in diesem Zusammenhang von „Nature via Nurture“ – also einer Wechselwirkung zwischen Veranlagung und Förderung. Ihre zentrale Botschaft: Erst durch qualitativ hochwertige Bildung wird das kognitive Potenzial eines Menschen wirklich nutzbar gemacht.

„In der Schule lernt man in wenigen Jahren alles, was die Menschheit sich über Jahrhunderte erarbeitet hat“, so Stern. Bildung sei damit nicht nur Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe, sondern auch ein entscheidender Faktor für die individuelle Entfaltung von Intelligenz. Was im Gehirn angelegt sei, müsse durch schulische Förderung und passende Lernumgebungen aktiviert werden.

Ein Schwerpunkt des Abends lag auf dem Arbeitsgedächtnis, das als Basis für intelligentes Verhalten gilt. „Wir können langfristige Ziele setzen und sie in Unterziele unterteilen – das unterscheidet uns von anderen Lebewesen“, erklärte die Psychologin. Gleichzeitig betonte die Professorin die Bedeutung des lebenslangen Lernens. Zwar gelte: „Je intelligenter jemand ist, desto leichter fällt es, Wissen aufzunehmen und zu behalten.“ Doch ebenso wichtig sei: „Jeder kann lernen, jeder muss lernen – in vielen Bereichen lassen sich Intelligenzunterschiede durchaus kompensieren.“ Entscheidend sei der Zugang zu guter Bildung.

Ein überraschender Aspekt des Vortrags: Die im Alltag oft bemühte Unterscheidung zwischen sprachlicher und mathematischer Begabung hält empirisch nicht stand. Stattdessen zeigen Tests das sogenannte „positive Manifold“: Kognitive Fähigkeiten treten meist gemeinsam auf, d.h. wer in einem Bereich gut abschneidet, erzielt meist auch in anderen kognitiven Domänen überdurchschnittliche Ergebnisse. „Sprachliche und numerische Fähigkeiten korrelieren stark miteinander und tragen beide zum logischen Denken bei“, so Stern.

Die Referentin räumte im Verlauf des Abends mit weiteren gängigen Mythen auf: Ein fotografisches Gedächtnis etwa gebe es nicht, und Intelligenz sage wenig über Persönlichkeitseigenschaften wie z.B. Empathie oder Gewissenhaftigkeit aus. Allerdings lasse sich ein Zusammenhang zur Lebenszufriedenheit zumindest in einem gewissen Maß statistisch nachweisen: Intelligente Menschen seien im Schnitt etwas zufriedener mit ihrem Leben.
 

Mit ihrem wissenschaftlich fundierten und zugleich anschaulich gestalteten Vortrag - gespickt  mit interaktiven Testaufgaben für das Publikum – setzte Professorin Dr. Elsbeth Stern einen markanten Akzent in der Debatte über Leistungsfähigkeit, Chancengleichheit und Bildungsauftrag. Sie machte deutlich: Intelligenzunterschiede – etwa durch genetische Voraussetzungen – werden sich auch bei größtmöglicher Chancengleichheit nie vollständig ausgleichen lassen. „Das Ausmaß an Gerechtigkeit in einer Gesellschaft lässt sich daran messen, wie stark genetische Unterschiede zur Erklärung von Intelligenzvariationen beitragen“, so ihr Fazit. Je gerechter die Bildungschancen, desto stärker zeigt sich der genetische Einfluss – wie etwa in skandinavischen Ländern: „Dort findet man einen besonders hohen Anteil an genetisch bedingten Intelligenzunterschieden.“

Das lebhafte Interesse des Publikums spiegelte sich nicht nur im vollen Walter-Witzenmann-Saal (Audimax) wider, sondern auch in den zahlreichen Nachfragen nach dem Vortrag. Die angeregten Diskussionen setzten sich beim anschließenden Get-together noch lange fort.


Das Studium Generale wird am 4. Juni ab 19 Uhr fortgesetzt. Den Abschluss im Sommersemester 2025 bildet das Campus Classic Concert des Südwestdeutschen Kammerorchesters Pforzheim.

 

 

Foto: Cornelia Kamper / HS PF.