"Kein wilder Krieg“: Wie Ermittler organisierte Kriminalität bekämpfen

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Oberstaatsanwalt Peter Holzwarth gab im Studium Generale Einblicke in Ermittlungsarbeit
Organisatorinnen des Studium Generale lächeln gemeinsam mit Speaker des Abends sowie Prorektorin in die Kamera.

Prof. Dr. Frauke Sander gemeinsam mit Oberstaatsanwalt Peter Holzwarth, Prof. Dr. Nadine Walter und Prorektorin für Nachhaltigkeit und Studierendengewinnung Prof. Dr. Ingela Tietze (v.l.n.r.). Foto: Cornelia Kamper

Wie arbeitet die Justiz gegen organisierte Kriminalität (OK) – und wie real ist die Bedrohung tatsächlich? In seinem Vortrag im Rahmen des Studium Generale der Hochschule Pforzheim beleuchtete Oberstaatsanwalt Peter Holzwarth die verschiedenen Facetten der sogenannten OK aus juristischer Perspektive. Der Leiter der Abteilung für organisierte Kriminalität bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart gewährte Einblicke wie Tätergruppen agieren, mit welchen Mitteln Ermittler sie stoppen dürfen und wo die Grenzen rechtsstaatlichen Handelns liegen.

„Der Kampf gegen OK ist kein wilder, ungeregelter Krieg“ stellte Holzwarth gleich zu Beginn klar. „Wir überlassen es den anderen, sich nicht ans Reglement zu halten“. Organisierte Kriminalität habe keine Legaldefinition, dennoch gebe es klare Kriterien: „Zentrales Merkmal ist ein Gewinn- und Machtstreben sowie ein arbeitsteiliges, auf Dauer angelegtes Zusammenwirken von mindestens drei Personen.“ Hinzu kämen Merkmale, die organisierte Kriminalität von bloßer Bandenkriminalität oder Wirtschaftskriminalität unterscheiden – etwa gewerbliche Strukturen, die Anwendung von Gewalt oder die Einflussnahme auf Politik, Medien oder Verwaltung.

 

Oberstaatsanwalt Peter Holzwarth während seinem Vortrag im AudimaxOberstaatsanwalt Peter Holzwarth während seinem Vortrag im Audimax der Hochschule Pforzheim. Foto: Cornelia Kamper

In anschaulichen Fallbeispielen verdeutlichte Holzwarth, wie eng legale und illegale Geschäftsfelder oft verzahnt sind. „Ich gebe Ihnen hier eine Bedienungsanleitung für Schwarzarbeit“, scherzte er, bevor er schilderte, wie vermeintlich seriöse Bauunternehmen durch Scheinrechnungen und Bargeldzahlungen ganze Netzwerke illegaler Beschäftigung verschleiern. Beteiligt waren in einem Fall aus dem Jahr 2007 dann auch mehr als 30 Unternehmen, die teilweise als seriöse erste Auftragnehmer fungierten, zum Teil als kriminelle Subunternehmen. Die Ermittlungsarbeit sei bei solchen Verfahren eine wahre Mammutaufgabe: oft zwei bis drei Jahre Arbeit, intensive Kooperation mit Zoll und Steuerexperten, dazu ein Mix aus offenen und verdeckten Maßnahmen. Hausdurchsuchungen stehen dabei genauso auf der Liste wie Telekommunikationsüberwachung, Observationen oder eingeschleuste Informanten – stets gebunden an das Prinzip der Verhältnismäßigkeit. „Jede Maßnahme kann einen Grundrechtseingriff darstellen“, betonte der Staatsanwalt, „deshalb prüfen wir sorgfältig, ob sie verhältnismäßig ist.“ Eine vollständige Überwachung sei aufgrund vom Grundgesetzbuch Artikel 1 beispielsweise rechtswidrig und somit bloßes Fernsehmaterial. 

Ein besonderes Augenmerk legte der Oberstaatsanwalt auf Trickbetrugsdelikte wie den sogenannten Enkeltrick oder Schockanrufe. Ganze Callcenter operierten dabei aus dem Ausland, häufig aus der Türkei. „Die eigentlichen Täter bleiben für uns schwer zu greifen“, sagte er. Allein in Baden-Württemberg entstand durch solche Betrugsmaschen im vergangenen Jahr ein Schaden von rund 18,4 Millionen Euro. Holzwarth machte deutlich, dass diese Taten Menschen um ihre Existenz bringen können und betonte, dass auch Banken eine Verantwortung tragen: „Wenn jemand plötzlich sein gesamtes Erspartes abhebt, müsste das kritischer hinterfragt werden.“ Prävention und Aufklärung seien deshalb zentrale Bausteine im Kampf gegen diese Formen der organisierten Kriminalität. Auch ein Sexkaufverbot befürwortet der Experte, um organisierte Kriminalität rund um Prostitution zu verhindern.

Auf die abschließende Frage, ob organisierte Kriminalität ein Risiko oder ein Mythos sei, antwortete Holzwarth: „Ich konnte Ihnen heute keine einbetonierten Opfer präsentieren, bin ohne Personenschutz hier und sehe keine Verbindungen bis in die große Politik. Die Wahrheit liegt also irgendwo dazwischen. Organisierte Kriminalität sei keine Bedrohung wie der Terrorismus – aber eben doch real. „Sie ist Holkriminalität. Wir müssen sie proaktiv verfolgen, weil die Betroffenen selten von sich aus zur Polizei gehen. Und natürlich sind wir dabei von unseren Kapazitäten abhängig“. Mit einem zugleich beruhigenden und entschlossenen Ausblick schloss er seinen Vortrag: „Seien Sie beruhigt – wir bleiben wachsam. Ich gehe morgen wieder an die Arbeit. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!“.