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Freiheit heißt Verantwortung

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Studium Generale: Heribert Prantl über die Zukunft des Journalismus

Heribert Prantl zu Gast an der Hochschule Pforzheim. Foto: Axel Grehl

Die wissenschaftlichen Leiterinnen des Studium Generale, Prof. Dr. Christa Wehner und Prof. Dr. Frauke Sander (links), sowie Rektor Prof. Dr. Ulrich Jautz (2. v. r.) begrüßten Prof. Dr. Heribert Prantl kurz vor dessen Vortrag auf dem Campus an der Tiefenbronner Straße. Foto: Axel Grehl

Mit großer Geste und wortgewaltiger Stimme fesselte Heribert Prantl seine Zuhörer im Studium Generale. Foto: Axel Grehl

Zum Abschluss des Sommersemesters 2021 an der Hochschule Pforzheim hat Professor Dr. Heribert Prantl mit seinem Vortrag „Die Zeitung ist tot, es lebe die Zeitung - Journalismus zwischen Morgen und Grauen" das Hohelied auf die Pressefreiheit gesungen und dem Journalismus eine gute Zukunft bescheinigt, wenn sich dieser auf seine Tugenden besinnt. Mittlerweile durch Corona etabliert, wurde sein Vortrag auf dem Youtube-Kanal des Studium Generale übertragen. Erstmals in diesem Semester konnten am Mittwochabend immerhin einige wenige Hochschulangehörige – geimpft, getestet oder genesen – den Worten Prantls vor Ort lauschen.

Professorin Dr. Christa Wehner, gemeinsam mit Professorin Dr. Frau Sander wissenschaftliche Leiterin des Studium, begrüßte das langjährige Mitglied der Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung im Audimax der Hochschule Pforzheim. „Ich freue mich seit einigen Semestern ganz besonders auf diesen Abend. Die meisten von Ihnen kennen unseren heutigen Referenten als Gewissen und moralische Instanz der auflagenstärksten deutschen Qualitätszeitung.“ Er sei streitbarer Publizist, der unfassbar eloquent in leidenschaftlichen Streitgesprächen seinen Standpunkt klar mache und dabei glühend aus verfassungsrechtlicher Perspektive den Schutz der Demokratie anmahne.    

Prantl startete seinen Vortrag gut gelaunt und war voll des Lobes über das Ambiente an der Hochschule. Auch zu Pforzheim hat er eine gute Verbindung. Ein Highlight seiner Kindheit war es immer, wenn der neue Katalog des Versandhauses Wenz und die darin abgebildeten Schmuckstücke bei seiner Mutter und ihren Freundinnen für leuchtende Augen sorgte. Seine beiden Großmütter sind für Prantls beruflichen Werdegang mitverantwortlich. Die eine hat den Juristen, die andere den Journalisten in Prantl zu Tage gefördert. Mit der Vergangenheit befasste sich der wortgewaltige Oberpfälzer nicht allzu lange. Zu sehr drängen ihn die Fragen der Gegenwart, die er sowohl aus Sicht des Bürgers, als auch aus der Sicht des Journalisten beleuchtet, der sich um die Demokratie sorgt. Und um die Grundrechte. Gerade um die. Gerade jetzt, inmitten der Corona-Krise.

Kennzeichen dieser Krise, so Prantl: Die Wahrheitssuche. Jede Seite nimmt für sich in Anspruch, die Wahrheit zu sagen. „Weil die Frage nach der Wahrheit eine Urfrage ist, muss man ausholen. Bei Pontius Pilatus und der Bibel“, sagt Prantl und wird schnell wieder gegenwärtig und beleuchtet erneut als Journalist, zum besseren Verständnis: „Es wird erwartet, dass der Journalismus aufdeckt, dass er politische Lüge und Korruption entlarvt. Dass er die Wahrheit ans Licht bringt“, erklärt der erfahrene Journalist Heribert Prantl. Doch als Journalist sei es gar nicht so einfach, diese Rolle verantwortungsvoll auszufüllen. Der „massenmediale Tunnelblick“ müsse durch die Selbstreflektion erweitert werden. Nur so könne man guten Journalismus betreiben. Denn zu gutem Journalismus gehöre Zuverlässigkeit und dann schaffe dieser auch Vertrauen. „Ganz wichtig in Krisenzeiten“, betont Prantl. Auch um die Krakeeler zu widerlegen. „Es gibt keine Lügenpresse“, unterstreicht Prantl, sondern es gebe vielleicht hier und da einmal schlechten Journalismus, der es nicht geschafft hat, Vertrauen aufzubauen.

Denn Vertrauen ist nicht selbstverständlich, ist nicht allgegenwärtig. „Vertrauen wurde immer wieder zerrüttet. Denken Sie an die Spiegel-Affäre 1962.“ Danach sei eine regelrechte Liebe zu den Grundrechten entflammt. „So gesehen hat Franz-Josef Strauß 1962 unfreiwillig Deutschland weiter demokratisiert“, sagt Prantl, der in seinem journalistischen Leben vieles erlebt hat und die Zuhörer an Begegnungen mit Mächtigen aus Vergangenheit und Gegenwart teilhaben lässt.

„Vertrauen ist nicht selbstverständlich und was sicher ist, ist noch lange nicht sicher“, erklärt Prantl wackelnde Weltbilder, wie sie von Populisten wie Donald Trump verursacht werden. „Wir lernen nichts von selbst. Die Aufklärung ist nicht vom Himmel gefallen und daher immer da. Aber sie ist immer notwendig. Dafür ist der journalistische Beruf da.“ Die aus der Pressfreiheit resultierende Verantwortung als absolute Voraussetzung für guten Journalismus zieht sich als roter Faden durch Prantls Vortrag. Immer mit der Querverbindung zur gesellschaftlichen Bedeutung, zur Voraussetzung für die Demokratie. „Diese braucht guten Journalismus. Und auch wenn der mediale Informationsausstoß durch das Internet ungeheuer zugenommen hat. Der gute analoge Journalismus ist kein anderer als der digitale. Die Grundlinien verlaufen gleich“, stellt Heribert Prantl fest.

Aus einer distanzierten sei fast eine miterlebende Öffentlichkeit geworden, die in Livetickern allem und jedem beiwohnen könne. Und der Liveticker auch dann tickert, wenn es gerade gar nichts zu tickern gibt. „So setzen Medien Politiker und andere Akteure in der Öffentlichkeit unter Druck“, erklärt Prantl. Bei negativen Berichten könne so schnell eine Erregungsspirale entstehen. „Einen solchen Sog hatte ich erstmals 2011/2012 im Fall des Christian Wulff erlebt. Der Kollege Jörges vom Stern sprach damals vom „Urknall der hysterischen Republik“. Das Wulff-Drama war ein medialer Exzess, fast genau 50 Jahre nach der Spiegel-Affäre“, erzählt Prantl und landet wieder bei der Verantwortung. Denn die Berichterstattung im Fall Wullf sei ein negatives Lehrstück der Pressefreiheit gewesen, hielten die Anschuldigungen einer strafrechtlichen Bewertung nicht stand. Die Unschuldsvermutung hatte ihre Unschuld verloren

Philosophisch werdend und mit etwas Pathos in der Stimme sagt Prantl: „Die Pressefreiheit ist für die Demokratie da. Und Demokratie ist nicht für eine Meute, um Beute zu finden. Allein die Menge macht das Gift.“ Das gelte auch für den Journalismus. „Qualitätsjournalismus ist das Lebenselixier einer freien Gesellschaft. Der Artikel 5 im Grundgesetzt verpflichtet.“ Jedoch, bei aller kritischen Reflektion und Rückblicken auf vergangene mediale Fehler: Der Journalismus in Deutschland steht, folgt man den Worten Prantls, inhaltlich gut da.  Zur Sachkunde müsse sich freilich das Aufklärungsinteresse paaren, um ein guter Journalist zu sein. Die Aufdeckungsarbeit der Medien sei bei vielen Krisen insgesamt erfolgreicher gewesen als die der Justiz. „Das geht nur, wenn man seine Verantwortung wahrnimmt, alle Seiten zu beleuchten, um sich der Wahrheit zu nähern. Journalisten sollten die Pressefreiheit weniger erwähnen, sie stattdessen mehr leben. Es bedarf leidenschaftlicher Verleger, die diesen Qualitätsjournalismus schützen.“, sagt Prantl zum Schluss.

Schwarze Schafe prägten oft das Bild eines Berufsstandes. „Jedoch: In 35 Jahren Journalismus bin ich nur wenigen begegnet“, sagt Prantl überzeugt. Nach seiner Folgerung wird die Tageszeitung nicht sterben. „Sie wird sich nur verändern. Nur diejenigen Zeitungen, die sich nicht verändern wollen oder können, die werden sterben. Das Internet verdrängt gute Redakteure nicht. Verlegerische und journalistische Leidenschaft sind die Zutaten für eine gute Zukunft des Journalismus. Ein guter Journalist ist ein guter Entdecker und Erklärer“, erklärt Prantl. Das meint er mit der gelebten Pressefreiheit. Das ist die Verantwortung, die sich daraus ergibt.

Der Vortrag von Heribert Prantl ist noch die kommenden vier Wochen unter folgendem Link auf Youtube zu sehen: https://www.youtube.com/watch?v=IKcCrC_gRMg

 

Zur Person: Heribert Prantl ist Journalist, Publizist, Buchautor und politischer Kommentator für Zeitungen, Rundfunk und Fernsehen. Er studierte Rechtswissenschaft, Geschichte und Philosophie (Promotion zum Urheber- und Medienrecht) und ist Honorarprofessor für Rechtswissenschaft an der Universität Bielefeld. Dr. Prantl war zunächst Richter an einem bayerischen Amts- und Landgericht, Staatsanwalt und Justizpressesprecher, ab 1988 Leitender Redakteur und Leitartikler bei der Süddeutschen Zeitung. 25 Jahre lang leitete er das Ressort Innenpolitik, später die neue Redaktion Meinung; von 2011 an war Prantl Mitglied der Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung. Seit März 2019 ist er ständiger Autor und Kolumnist.