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Prof. Dr. Sven Schimpf verstärkt das Team HEED

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Professor Dr. Sven Schimpf. Foto: Harald Koch

Stiftungsprofessor für Innovations- und Interdisziplinaritätsforschung

Eine Idee haben und sie dann auch umzusetzen, so definiert Professor Dr. Sven Schimpf Innovationen. Mit dem Neuen und Zukünftigem befasst sich der Wissenschaftler schon lange. Seit März 2020 hat Sven Schimpf nun die Stiftungsprofessur des Institute for Human Engineering & Empathic Design – HEED für Innovations- und Interdisziplinaritätsforschung an der Hochschule Pforzheim inne.

„Über Ihren Einwand kann ich mich stundenlang freuen“, sagt Sven Schimpf. In seiner Vorlesung „überINNOVATION: Ein Ausflug zur Umsetzung von Ideen“ bat er seine Studierenden, die Kriterien für Innovationen aus kurzen Video-Interview-Clips herauszufiltern. Die Studierenden hören genau hin und hinterfragen sehr schnell: Müssen Innovationen immer positiv sein? „Als Kriterium wurde die Schaffung von Arbeitsplätzen genannt. Aber es entstehen doch auch Maschinen, die die Menschen ersetzen und abschaffen“, so eine Studentin. Geht es also um eine schöpferische Zerstörung? Denn Wandlung kann Menschen und Unternehmen abhängen. Auf die Frage des Professors, welche Neuerungen die Studierenden wichtig finden, werden Paypal oder Airbnb genannt. Gute Beispiele für eine disruptive Innovation. Sie ersetzen bestehende Technologien und verdrängen sie vom Markt, wie zum Beispiel die Digitalfotografie die analoge Fotografie ablöste. Somit zerstören sie vorhandene Strukturen. Sie sind nicht sonderlich beliebt in Deutschland, die disruptiven Innovationen, Schimpf machte sie zu seinem Arbeitsschwerpunkt. „Ein Mehr an großem Veränderungspotential ist bei uns unbedingt erforderlich“, findet Sven Schimpf. Es sollte nicht ausreichen, Prozesse oder Produkte einfach nur zu optimieren. Reformen dürfen auch tiefgreifende Transformationen mit sich führen.

Ein aktuelles und gut dokumentiertes Beispiel für eine weitreichende Erfindung ist aus seiner Sicht der mp3-Codec. Entwickelt wurde er damals an einem Fraunhofer-Institut, aber massenhaft setzte Apple mit iPod, iPhone und Co diese Innovation um. Bei der Fraunhofer Gesellschaft ist Sven Schimpf seit fast 20 Jahren tätig, seit dem Jahr 2017 als Geschäftsführer im Fraunhofer-Verbund Innovationsforschung. Auf Widerstände zu treffen, war schon immer Teil seiner Arbeit. „Lösungen sind ein Gemeinschaftsprojekt, man darf sie nicht einfach vorlegen“, sagt der 44-Jährige. Im Bereich Forschung und Entwicklung unterstützte er viele Unternehmen. Miteinander arbeiten ist wichtig, denn Ideen hat im Zweifelsfall nicht jeder – aber jeder kann Impulse geben, woraus Ideen entstehen können. „Das Experimentieren ist nicht Teil der deutschen Kultur“, weiß er. Produkte werden erst realisiert, wenn sie einen hohen Perfektionsgrad erreicht haben. „Noch nicht reif genug für den Markt“, heißt es oft. In allen Branchen gibt es große Hürden, Dinge einfach auszuprobieren. In anderen Ländern ist das einfacher. „Aber die Politik wird sensibler für Experimentierräume“, sagt Schimpf. Das zeigt die steigende Anzahl an Reallaboren für Themen wie das autonome Fahren, den Einsatz von KI oder die Notfallversorgung durch Drohnen.

Im Rückblick auf sein Studium prägte ihn bei seinen eigenen Professoren die Brücke zur Praxis. „Das war für mich sehr spannend, das wollte ich immer auch selbst fortführen.“ Und das setzte er früh in die Tat um, als er es nicht bei dem Studium der Sozioökonomie beließ, sondern zudem deutsch-französisches Management in Augsburg und Rennes studierte. Auch seine Promotion an der Universität Stuttgart hatte starken Praxisbezug mit dem Thema Technologie-Monitoring. Heute gibt es im Studium ganz viele neue Möglichkeiten für die Lehre, Stichwort Open Science. Die Vermittlung von Wissen ist viel mehr selbstorganisiert als früher, Forschungsergebnisse sind leichter verfügbar, der Austausch mit Forschenden ist globaler geworden. Die Hochschule sieht er als einen wesentlichen Punkt in einem Netz aus vielen Protagonisten, regional und sozial.

Persönlich muss es nicht immer neu und innovativ sein. „Ich mag Dinge, die in Würde altern.“ Außerdem treibt Sven Schimpf viel Sport und tüftelt gerne in seiner Werkstatt. Dabei erweckt er den ein oder anderen bereits verloren geglaubten Gegenstand wieder zum Leben – jüngst eine kaputte Schachuhr, die er nun als Zeitmesser für Workshops am Institut nutzt. „Es ist ein unfassbares Gefühl, wenn Dinge wieder funktionieren.“ Sein Lieblingsbuch dazu: Wolfgang M. Heckls „Kultur der Reparatur“. Der Generaldirektor des Deutschen Museums in München zeigt darin, wie man Reparieren lernen kann und dass es eine kulturkritische Tätigkeit ist. Und ganz nebenbei verändert sich dabei auch die Wahrnehmung von Dingen, wenn man sie in ihre Einzelteile zerlegt und sehen kann, wie eins ins andere greift. Beobachten, verstehen und neu kombinieren – vielleicht auch Dinge, die im ersten Anschein nichts miteinander zu tun haben, das ist der beste Weg, innovativ zu sein.