Folgt aus Industrie 4.0 automatisch Personalmanagement 4.0?
Vernetzung lautete das Zauberwort! Allerdings bedeutet diese Vernetzung nicht netzwerken im eigentlichen Sinne, sondern charakterisiert eine moderne Produktion. Das Schlagwort Industrie 4.0 steht für diese Produktionsweise und für viele ist es die Produktion der Zukunft. Welches Personal benötigt eine Industrie 4.0, wie wird es weitergebildet und richtig eingesetzt?
Beim 6. Fachkongress Business meets Science an der Hochschule Pforzheim tauschten sich Personalverantwortliche aus Unternehmen mit Wissenschaftlern zum Thema Personalmanagement 4.0 aus. Der Einladung des Instituts für Personalforschung an der Hochschule Pforzheim folgten Mitte November 2014 knapp 100 Personalpraktiker aus dem deutschsprachigen Raum.
Industrie 4.0 bedeutet, dass die einzelnen Standorte oder Produktionseinheiten miteinander über Computernetzwerke kommunizieren. Die hochgradig komplexen Strukturen, die diesen Prozessen zugrunde liegen, werden ebenfalls digital betreut und gewartet. Für Mitarbeiter bedeutet diese Art von Produktion neue Herausforderungen. Kommunikation via Blogs oder Wikis, Konferenzen über Skype oder andere digitale Kanäle – die moderne Technik bestimmt auch das Miteinander in einem Unternehmen. Dabei stehen die Vorteile – beispielsweise die weltweite Zusammenarbeit an Projekten, schnelle Kommunikation oder digitale Wartung – manchen Problemen gegenüber. Wo findet der persönliche Austausch, die Wertschätzung des Mitarbeiters oder auch die kreative Pause statt?
Muss jahrzehntealtes Personalerwissen neu gedacht werden? Thomas Jennewein, SAP, und Professor Wolfgang Jäger stellten in ihrem gemeinsamen Vortrag Antworten des Personalmanagements auf die neuen Techniken in den Vordergrund. Einfache Tools, die aus einer digitalen Zusammenarbeit ein persönliche Arbeitstreffen werden lassen, zeigten, dass beides miteinander verbunden werden kann und muss: Persönliches Gespräch und neue Arbeitsformen. Unter „Agilem Management“ versteht André Häussling, HR Pioneers GmbH, das Aufbrechen der Strukturen. Zusammen mit Professorin Cathrin Eireiner, Hochschule Pforzheim, plädierte der engagierte Geschäftsführer wie sich die Organisationsstruktur in einem Unternehmen verändert, wenn der Kunde in den Vordergrund rückt. Schnelle Produktionsprozesse bedingen ein neues Reaktionsverhalten bei den Mitarbeitern und nicht das Beharren auf gelernte Dienstwege.
„Industrie 4.0 verlangt von den Personalverantwortlichen neue Antworten“, erklärte Professor Dr. Stephan Fischer. Die Diskussion während der Tagung habe deutlich gezeigt, dass noch keine Standardprozesse existieren und der Beratungsbedarf hoch sei. „Das Thema ist neu und noch längst nicht bei allen angekommen. Die Herausforderungen für das Personalmanagement sind aber immens und werden uns in der Zukunft sehr beschäftigten“, prognostizierte der Leiter des Instituts für Personalforschung an der Hochschule Pforzheim.
Erstmals bot die Fachtagung neben den gemeinsamen Vorträgen von Wissenschaft und Wirtschaft sowie der Vorstellung von hervorragenden studentischen Abschlussarbeiten auch Workshops, in denen die diskutierten Themen vertieft wurden. Das Format von Business meets Science, Wissenschaft und Praxis stellen gemeinsam ein aktuelles Thema zur Diskussion, wird inzwischen bundesweit nachgefragt und trägt entscheidend zum Renommee des Instituts bei.
09:30 Uhr | Empfang |
10:00 Uhr | Begrüßung Prof. Dr. Hanno Weber (Prorektor der Hochschule Pforzheim), Prof. Dr. Stephan Fischer (Direktor Institut für Personalforschung, Hochschule Pforzheim) und Nils Haase (Geschäftsführer, fidelis HR GmbH) |
10:15 Uhr | Auswirkungen neuer Techniken auf die Personalarbeit von morgen Vorträge von Prof. Dr. Wolfgang Jäger (Professor für BWL, Gesellschafter der DJM Consulting GmbH) und Thomas Jenewein (Business Development Manager, SAP Deutschland) mit anschließen der Diskussion |
11:30 Uhr | Studienergebnisse „Netzwerke für Personaler“ |
12:00 Uhr | Ausgezeichnete studentische HR -Arbeiten |
12:45 Uhr | Mittagspause |
14:00 Uhr | Agiles HRM: Neuer Trend - neue Herausforderung Vorträge von Prof. Dr. Cathrin Eireiner (Hochschule Pforzheim) und André Häusling (Geschäftsführer, HR Pioneers GmbH) mit anschließender Diskussion |
15:30 Uhr | Workshop 1 (Auswirkungen neuer Techniken auf die Personalarbeit von morgen) Moderiert durch Prof. Dr. Stephan Fischer und Thomas Jenewein |
15:30 Uhr | Workshop 2 (Agiles HRM: Neuer Trend - neue Herausforderung) Moderiert durch Prof. Dr. Cathrin Eireiner und André Häusling |
16:45 Uhr | Ergebnispräsentation der Workshops im Plenum |
Ab 17:15 Uhr | Get-together |
Moderation | Prof. Dr. Stephan Fischer (Direktor Institut für Personalforschung, Hochschule Pforzheim) |
Wissenschaft: Prof. Dr. Wolfgang Jäger
Technik, Wirtschaft und Gesellschaft befinden sich im digitalen Wandel. Dies bleibt nicht ohne Auswirkung auf die Arbeitswelt und somit wie wir morgen arbeiten. Unter dem Stichwort „Industrie 4.0“ sucht die deutsche Industrie neue Wettbewerbspotenziale für morgen – gleiches gilt hier für die Arbeit von morgen. Enterprise 2.0 heißen die Unternehmen im Wandel, die die digitalen Herausforderungen für Organisation und Führung und die Kommunikationskultur im Unternehmen konstruktiv angehen und umsetzen. Last but not least muss die HR-Organisation sich eine eigene HR-Digitalstrategie erarbeiten. Der digitale Wandel bleibt nicht vor den HR-Organisationen stehen.
Wirtschaft: Thomas Jenewein
Wie sieht ein Arbeitsplatz eines „Knowledge Workers“ bei der SAP aus? Welche Werkzeuge werden benutzt zum Arbeiten, Lernen, Kommunizieren? Dies wird am eigenen Beispiel des Referenten dargestellt. Anschließend wird auf die Anforderungen zukünftiger Generationen an die Arbeitswelt eingegangen: wie sollten Werkzeuge zum Arbeiten, Kommunizieren, Lernen aussehen – was erfordert dies an Umdenken in Unternehmen (Kultur, Governance/ Policies, Führung)?
Wissenschaft: Prof. Dr. Cathrin Eireiner
In der Wirtschaft gibt es Megatrends wie zunehmende Komplexität oder Dynamisierung an die sich Unternehmen anpassen müssen, wenn sie langfristig überleben wollen. Diese Anpassungsfähigkeit kann oder muss über verschiedene Stellschrauben des Unternehmens erfolgen. Zum einem über die Diskussion der langfristigen, Planbarkeit und damit der Strategie, zum anderen der Flexibilisierung von Strukturen und Prozessen und der vorherrschenden Unternehmenskultur und damit über die Mitarbeiter. Ausgehend von dieser Betrachtung liefert der Vortrag Erkenntnisse aus der individualpsychologischen Perspektive über Aspekte wie Ambiguitätstoleranz, Resilienz oder Stresserleben. Dies soll als Diskussionsansatz dienen und zur organisationalen Betrachtung des Themas Agilität des zweiten Vortragenden einleiten.
Wirtschaft: André Häusling
Die heutigen Unternehmen befinden sich in heftigen Veränderungsprozessen: schneller Wettbewerb, hohe Marktdynamik und enormer Innovationsdruck. Zukünftig benötigen wir Unternehmen, die sich noch schneller an veränderte Rahmenbedingungen anpassen müssen, um im Wettbewerb zu bestehen.
Was sind die Konsequenzen für HR in einem solch dynamischen Umfeld in der Zukunft?
Wir benötigen ein agiles Personalmanagement, was einen höherwertigen Nutzen als bisher liefern muss. Vor allem muss HR den Wandel der Unternehmen hin zu agilen Unternehmen gezielt fördern und steuern. HR muss neu gedacht werden.
Dafür sind die bisher üblichen Personal- und Führungsinstrumente wirkungslos und veraltet: Mitarbeiterjahresgespräche, Jahresziele und individuelle Bonussysteme sind veraltet. Doch was kommt danach? Wie sehen die Personal- und Führungsinstrumente der Zukunft aus?
Wissenschaft: Dipl.-SpOec. Annegret Zimmermann
Netzwerke sind sowohl privat als auch geschäftlich ein wichtiges Thema. Auch die Forschung hat in den letzten Jahren ein reges Interesse an der wissenschaftlichen Betrachtung von verschiedenen Netzwerktypen gezeigt.
Es gibt viele verschiedene Gründe für die Mitgliedschaft in einem Netzwerk. Zumeist stellt ein gemeinsamer Mehrwert, bzw. ein Kooperationsnutzen das Ziel dar. Dieser bezeichnet das sogenannte soziale Kapital, das durch das Netzwerk entsteht. Wie dieser Kooperationsnutzen konkret ausgestaltet ist, wird den Netzwerkpartnern überlassen. Wichtig sind dabei jedoch der Austausch zwischen den einzelnen Netzwerkpartnern und die sich daraus ergebende Kosten-Nutzen-Betrachtung jedes Einzelnen.
Mit folgenden Fragen beschäftigte sich die Studie: Welche HR Netzwerke es gibt, welchen Nutzen stiften diese und wie können diese weiterentwickeln, um den Nutzen noch zu vergrößern?
Prof. Dr. Wolfgang Jäger ist seit 1995 Professor am Studiengang Media Management der Hochschule RheinMain in Wiesbaden. Seine Forschungsschwerpunkte liegen auf der Optimierung personalwirtschaftlicher und kommunikationsbezogener Prozesse und Strukturen. Seit 1990 ist er Gesellschafter der Dr. Jäger Management-Beratung und zusätzlich der DJM Consulting GmbH, beide mit Sitz in Königstein im Taunus. In den letzten 10 Jahren wurde Prof. Jäger von der Fachzeitschrift „Personalmagazin“ wiederholt zu einem der führenden Köpfe des Personalwesens gewählt.
Thomas Jenewein ist bei der SAP Deutschland im Business Development des Bereichs SAP Education tätig. Zuvor war er Produktmanager für Lernsoftware, davor als Leiter der SAP-internen Lern- und Bildungsberatung verantwortlich für strategische Weiterbildungsprogramme sowie für die Anwendung neuer Lernansätze und Medien. Also Programm-Manager und interner Berater arbeitete er davor in der SAP-University an verschiedenen Personalentwicklungsprojekten. Der Organisations- und Wirtschaftspsychologe befasst sich schwerpunktmäßig mit Learning Management, Lernen mit neuen Technologien, social Media, e-commerce, Wissensmanagement, Personalentwicklung und Coaching.
Prof. Dr. Cathrin Eireiner hat im Fach Organisationspsychologie an der Universität Mannheim promoviert. Auf ihre Zeit in Wissenschaft und Lehre an der Universität Mannheim folgte eine mehrjährige Tätigkeit als Unternehmensberaterin in Themen der Organisations- und Personalentwicklung. Von 2008 bis 2013 verantwortete sie die internationale Führungskräfteentwicklung bei MAN Truck & Bus. Seit März 2014 ist sie Professorin für Personalmanagement an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Pforzheim, Mitglied des Human Resources Competence Center (HRCC) und lehrt im Bachelor -und Masterstudiengang.
André Häusling (Geschäftsführer HR Pioneers GmbH), nach Abschluss des sozialwissenschaftlichen Studiums und dem Master of Arts mit Schwerpunkt „Human Resources Development“ hat André Häusling in verschiedenen Positionen, u.a. bei der WEB.DE AG und Fujitsu Services GmbH, eine weitreichende Expertise in der agilen Personal- und Organisationsentwicklung aufgebaut. Seit 2010 ist er Geschäftsführer der HR Pioneers GmbH sowie Initiator der Agile HR Conference.
Dipl.-SpOec. Annegret Zimmermann studierte Sportökonomie an der Universität Bayreuth, mit den betriebswirtschaftlichen Schwerpunkten: Personalmanagement, Dienstleistungsmanagement und Marketing. Seit Oktober 2009 arbeitet sie an der Hochschule Pforzheim im Human Resources Competence Center. Mitarbeit in verschiedenen Forschungsprojekten wie “Standardisierung im HR Outsourcing”, “Recruiting in Krankenhäuser”, “Wie denkt die Generation Y” und “Netzwerke für Personaler”.